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Technik

Boom, Aerion und Co

Gibt es einen Markt fürs Überschallreisen?

Schon mit der Concorde war ein Überschallflug über den Atlantik kein billiges Vergnügen: Ein einfacher Flug von London nach New York kostete gut 6.200 Euro und auch die Flugtickets für ihre Nachfolger werden kaum günstiger sein. Dennoch könnte es für solche Flüge einen Markt geben, wie auch der Luftfahrtexperte Turab Zaidi vom Georgia Tech Lorraine in Frankreich erklärt: „Die Nachfrage nach schnellen Flugverbindungen ist auch nach dem Ende der Concorde nie verschwunden. Jetzt könnten wir eine Renaissance erleben“, so Zaidi.

AS2
Aerions Überschallflugzeug AS2 ist für acht bis zwölf Passagiere ausgelegt.© Aerion Supersonic

Aerion: Businessjets als Einstieg

Der Flugzeugbauer Aerion Supersonic setzt dabei zunächst auf den Business-Markt: Solvente Unternehmer, die ohnehin schon mit Privatjets fliegen und es sich leisten können, für den Luxus des schnelleren Ankommens entsprechend mehr zu zahlen. Das erste Modell von Aerion, der AS2, ist daher ein Busenessjet, der acht bis zwölf Passagiere mit Mach 1,4 an ihr Ziel bringen soll. Ein Flug von New York nach London würde damit viereinhalb Stunden dauern.

Der Bau der AS2 soll 2023 beginnen, der erste Flug des Überschall-Businessjets ist für 2024 geplant, 2026 soll dann die Markteinführung erfolgen. Bewährt sich das Konzept, soll der für 50 Passagiere und Mach 4 ausgelegte AS3 folgen. „Unsere Vision ist es eine Zukunft zu bauen, in der die Menschheit in nur drei Stunden von jedem beliebigen Punkt der Erde zu einem andern fliegen kann“, sagt Aerion-CEO Tom Vice. „Überschallflug ist der Beginn diese Zukunft – aber eben auch nur das: Ein Anfang. Wir müssen die Grenzen des Möglichen verschieben.“

Boom: Im Linienflug wie die Concorde

Eine andere Strategie verfolgt Blake Scholl mit seinem Unternehmen Boom Supersonic: Wie der Tesla-Gründer Elon Musk setzt er darauf, direkt in den Massenmarkt einzusteigen – wenn auch im oberen Preissegment. Die Überlegung dahinter: Je eher man das Überschallreisen auch für normale Passagiere möglich macht, desto schneller fallen die Kosten für die Produktion und Tickets. Denn die Masse bringt dann die Kostenreduzierung.

Mit 75 Sitzplätzen und knapp 52 Metern Länge soll das Überschallflugzeug „Overture“ von Boom ein direkter, wenn auch etwas kleinerer Nachfolger der Concorde werden. Ähnlich wie sie wird sie im Linienverkehr auf festen Routen eingesetzt und zumindest über Wasser ein Flugtempo von mindestens Mach 2,2 erreichen. Ein Flug vom London nach New York würde damit drei Stunden und 15 Minuten dauern, von San Francisco nach Tokio fünfeinhalb Stunden.

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Overture
Overture von Boom Supersonic soll 75 Passagiere transportieren können.© Boom Supersonic

„Wenn Airlines dramatisch kürzere Flugzeiten anbieten, wird dies die profitablen Premium-Passagiere anziehen und ihnen so einen Wettbewerbsvorteil bieten“, heißt es auf der Boom-Website. Das Ticket für einen Flug mit der „Overture“ soll daher nicht mehr kosten als heute ein normaler Langstreckenflug in der Business Class. Erste Aufträge gibt es bereits: Japan Airlines soll bereits 20 Overture-Maschinen bei Boom geordert haben und Virgin Atlantic Airways hat sich die Optionen für zehn Exemplare gesichert.

Den ersten Prototypen der Overture hat Boom im Oktober 2020 vorgestellt. Der XB-1 ist eine um zwei Drittel kleinere Version der späteren Passagiermaschine und soll im Herbst 2021 seine ersten Flüge absolvieren. Ab 2022 beginnt dann der Bau der Overture, die ab 2026 ausgeliefert und ab 2029 im Flugbetrieb eingesetzt werden soll.

„Es gibt einen Markt dafür“

Ob es einen Markt für Überschallreisen gibt, hat auch ein Team um Turab Zaidi am Georgia Tech Lorrain in Frankreich untersucht. Im Rahmen des EU-Projekts OASyS haben sie Szenarien für die Marktentwicklung von Überschall-Passagierflugzeugen zwischen 2035 und 2050 untersucht. Das Ergebnis: „Unsere Szenarien zeigen, dass es einen Markt dafür gibt“, so Zaidi. „Er ist zwar nicht so groß, wie ihn manche Hersteller darstellen. Aber unter bestimmten Voraussetzungen gibt es ihn.“

Eine davon: Die Flugzeuge müssen auch über Land schneller fliegen dürfen als der Schall. „Wenn man den Überschallflug über Land verbietet, schränkt man die verfügbaren Routen stark ein und zwingt die Flugzeuge dazu, langsamer zu fliegen, was die Treibstoff-Effizienz verringert“, erklärt Zaidi. „Daher ist dies ein für Nachfrage und Wirtschaftlichkeit wichtiger Faktor.“

Bisher sind Überschallflüge über bewohntem Gebiet jedoch in den meisten Ländern verboten. Aber in Reaktion auf das neu aufkommende Interesse an zivilen Überschallmaschinen hat zumindest die US-Luftaufsichtsbehörde FAA ihre Regularien inzwischen soweit gelockert, dass dort nun auf Antrag Testflüge in speziell ausgewiesenen Gebieten gestattet sind. „Das markiert einen wichtigen Meilenstein für die Entwicklung der zivilen Überschallflugs“, kommentierte Aerion-Chef Vice diese Entscheidung.

Ob die schnellen Flieger von Aerion, Boom und anderen die technischen und ökonomischen Herausforderungen der Überschall-Luftfahrt meistern werden, bleibt abzuwarten.

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In den Schlagzeilen

Inhalt des Dossiers

Reisen mit Überschall
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Schneller als der Schall
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Nicht mehr zeitgemäß?
Warum die Concorde heute nicht mehr fliegen dürfte

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