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Chemie

Bild und Spiegelbild

Was ist die asymmetrische Organokatalyse?

Wie bedeutsam die Katalyse für die Chemie ist, beweist ein Blick nach Stockholm. Insgesamt zehn Chemie-Nobelpreise gab es seit 1909 für die Katalyseforschung im engeren Sinne. Unter den Preisträgern waren so bekannte Chemiker wie Fritz Haber und Carl Bosch. Sechs der zehn Nobelpreise für Katalyse wurden erst seit dem Jahr 2000 vergeben – das demonstriert, wie „heiß“ dieses Forschungsgebiet noch immer ist.

Benjamin List
Chemie-Nobelpreisträger Benjamin List und Mitarbeitende im Labor des Max-Planck-Instituts für Kohlenforschung. © David Ausserhofer/ MPG

Die letzten in der illustren Reihe der Nobelpreisträger waren im Jahr 2021 Benjamin List vom Max-Planck-Institut für Kohlenforschung in Mülheim und David MacMillan von der University of California in Berkeley. Sie erhielten den renommierten Preis „für die Entwicklung asymmetrischer Organokatalysatoren“. Um die Jahrtausendwende herum hatten beide Forscher, unabhängig voneinander, die Tür zu diesem neuen Spezialgebiet der Katalyse aufgestoßen.

Die asymmetrische Organokatalyse

Von Organokatalyse sprechen Chemiker, wenn es sich bei den Katalysatoren um organische Moleküle handelt. Dass diese chemische Reaktionen beschleunigen können, ist lange bekannt. Schon Justus von Liebig machte vor bald 200 Jahren davon Gebrauch, als er unter anderem für die Bildung aromatischer α-Hydroxyketone Cyanid als Katalysator einsetzte oder später den katalytischen Effekt von Acetaldehyd auf eine andere Synthese entdeckte.

Neu an den Arbeiten von List und MacMillan war aber die asymmetrische Synthese mit organischen Katalysatoren. Mit „asymmetrisch“ sind Reaktionen gemeint, die selektiv nur zu einem von zwei möglichen Enantiomeren führen. Diese Spiegelbildisomer-Paare gibt es zum Beispiel dann, wenn ein Molekül ein Stereozentrum enthält. Synthesen, die selektiv vor allem zu einem Enantiomer führen, sind häufig bei Substanzen gefragt, die in biologischen Systemen eingesetzt werden sollen, also zum Beispiel bei Medikamenten, Mitteln für die Schädlingsbekämpfung oder auch bei Duft- und Aromastoffen.

Der Grund dafür: Oft hat nur eines der beiden Enantiomere den gewünschten Effekt, also etwa eine pharmazeutische Wirkung oder einen bestimmten Geruch und Geschmack. Einer Abschätzung aus dem Jahr 2017 zufolge besitzt etwa jede zweite in der Medizin eingesetzte Substanz ein Stereozentrum. Doch längst nicht in allen Fällen gelingt den Herstellern eine enantioselektive Synthese.

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Enantiomere
Viele Moleküle kommen in zwei spiegelbildlichen Varianten vor, den Enantiomeren. © NASA

Auf die räumliche Kontrolle kommt es an

Die Anforderungen an einen asymmetrischen Katalysator sind hoch. Es reicht nicht, wenn er lediglich die Aktivierungsenergie senkt. Um dabei auch noch enantioselektiv auf den Reaktionsverlauf zu wirken, muss er eine ganz bestimmte räumliche Umgebung für die an der Reaktion beteiligten Moleküle schaffen. Erst sie führt dazu, dass zum Beispiel die Anlagerung eines Reaktionspartners an den anderen nur von einer Seite aus erfolgen kann, weil die andere abgeschirmt wird.

Bei Enzymen sorgt die komplexe Struktur des Eiweißmoleküls für diese „sterische Kontrolle“. Bei Katalysatoren auf Basis von Übergangsmetallen erreicht man den Effekt dadurch, dass man die Metallatome zuvor mit geeigneten Molekülgerüsten, auch Liganden genannt, umgibt. In beiden Fällen führt die entscheidende Reaktion aus räumlichen (sterischen) Gründen bevorzugt nur zu einem Enantiomer, während die Bildung des Spiegelbild-Moleküls deutlich erschwert ist.

Es geht auch mit kleinen organischen Molekülen

Es ist noch gar nicht lange her, da ging man davon aus, dass ausschließlich Übergangsmetall-Komplexe und Enzyme für asymmetrische Katalysen in Frage kommen. Erst die Chemie-Nobelpreisträger von 2021 haben entdeckt und bewiesen, dass sich auch kleine organische Moleküle wie etwa Prolin dafür eignen. Der Max-Planck-Chemiker Benjamin List forschte zunächst an Proteinkatalysatoren auf Antikörperbasis. Durch Kristallstrukturanalysen stellte sich heraus, dass an der Katalyse sowohl eine Amino- als auch eine Säuregruppe des Antikörpers beteiligt waren.

List fragte sich: „Hat ein einfaches organisches Molekül vielleicht dieselbe Wirkung, wenn es eine Amino- und eine Säuregruppe besitzt?“ Also zum Beispiel eine Aminosäure? In seinem ersten Versuch testete er, ob die natürliche Aminosäure L-Prolin die Aldolreaktion von Aceton mit Aldehyden enantioselektiv katalysieren könnte. Es gelang: Der dabei von Keton und Prolin gebildete Enamin-Zustand ging tatsächlich räumlich kontrollierte Reaktionen mit Aldehyden ein.

Seit dieser Arbeit sind erst etwas mehr als 20 Jahre vergangen. In dieser Zeit hat sich das Feld der Organokatalyse rasant entwickelt.

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In den Schlagzeilen

Inhalt des Dossiers

Magische Moleküle
Organische Katalysatoren beflügeln die Chemie

Wie Schmieröl im Räderwerk
Wozu sind Katalysatoren gut?

Bild und Spiegelbild
Was ist die asymmetrische Organokatalyse?

Kontrollierte Reaktionen
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Lösungen für die Zukunft
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