Anzeige
Sonnensystem

„Beep-Beep“ aus dem All

Dem Magnetfeld des Jupiter auf der Spur

Wir schreiben das Jahr 1899. In Colorado Springs, am Rand der Rocky Mountains, hat sich der Erfinder und Ingenieur Nikola Tesla eine kleine Versuchsstation aufgebaut. Am Abend des 22. Juli sitzt er am Empfänger seiner selbst entwickelten hochsensiblen Radioantenne, die unter anderem Signale atmosphärischer Ereignisse wie Blitzentladungen einfangen soll.

Ein gewaltiges Magnetfeld und Ströme erngiereicher Teilchen umgeben den Jupiter. © NASA/JPL-Caltech

Rätselhaftes „Beep-Beep“ aus Richtung Mars

Doch plötzlich empfängt Tesla etwas, dass völlig aus dem Rahmen fällt: „Mein Ohr fing gerade noch hörbare Signale auf, die in regelmäßigen Abständen hereinkamen. Sie konnten nicht auf der Erde erzeugt worden sein, noch durch einen bekannten solaren oder lunaren Prozess oder durch den Einfluss der Venus“, beschreibt er das Ereignis fast 20 Jahre später. „Die Möglichkeit, dass sie vom Mars kommen könnten, schoss mir durch den Kopf.“ Denn mit dem Versinken des Planeten Mars hinter dem Horizont hören auch die mit fast unheimlicher Regelmäßigkeit bei rund 400 Hertz auftretenden „Beep-beep-beep“-Geräusche auf. Tesla glaubt darin sogar die Botschaft intelligenter Wesen – möglicherweise der Bewohner des Mars – zu erkennen.

Was Tesla zu diesem Zeitpunkt nicht bemerkt: Gleichzeitig mit dem Mars geht auch der mit diesem fast auf einer Linie stehende Jupiter unter. Und der rund 800 Millionen Kilometer entfernte Planet ist auch die Quelle der geheimnisvollen Signale. Gesendet werden diese allerdings nicht von „Aliens“, sondern vom Magnetfeld des Planeten.

Erscheint der Jupiter schon als Riese unter den Planeten, ist seine Magnetosphäre ein wahrer Gigant und das größte bekannte Objekt im gesamten Sonnensystem. Ihre Ausdehnung ist so gewaltig, dass sogar die Sonne samt Korona komplett hineinpassen würde. Wäre die Magnetosphäre sichtbar, erschiene sie uns am Nachthimmel drei Mal so groß wie der Vollmond. Die Stärke des Magnetfelds ist 20.000 Mal so groß wie das der Erde.

Polarlicht am Nordpol des Jupiter: Im Gegensatz zu den Auroren der Erde ist dieses ständig präsent. Neben den ringförmigen Mustern sind auch die drei "Fußabdrücke" der Monde Io, Ganymed und Europa als helle Flecken zu erkennen. Sie entstehen dort, wo Magnetfeldliniein von den Monden bis zum Planeten und zurück reichen. © NASA/ STScI

Radiosendung vom Jupiterpol

Wie heute bekannt ist, gehen die von Tesla aufgefangenen Radiowellen vom Magnetfeld an den Polen des Jupiter aus. Hier zeugen ständig leuchtende Polarlichter von intensiven und energiereichen Wechselwirkungen der Magnetfeldkräfte mit geladenen Teilchen des Sonnenwinds. Die leuchtenden Ringe der Jupiter-Auroren senden Strahlung im nahezu gesamten Bereich elektromagnetischer Strahlung hinaus ins All, darunter auch Radiowellen verschiedener Frequenzbereiche.

Anzeige

Die schnelle Rotation des Planeten und die um zehn Grad gegen die Rotationsachse gekippten Magnetpole führen dazu, dass einige der auf der Erde ankommenden Radiosignale periodisch erscheinen – wie ein Morsecode von Außerirdischen.

Das gigantische Magnetfeld sendet jedoch nicht nur Radiowellen Millionen Kilometer weit ins All hinaus, sondern auch Ströme extrem energiereicher Elektronen und Ionen. Die mit der Energie von bis zu zehn oder sogar hundert Megaelektronenvolt aufgeladenen synchrotronen Teilchenströme sind stärker als alles, was in irdischen Teilchenbeschleunigern produziert werden kann. Auch diese teilweise bis zur Erdumlaufbahn reichenden Emissionen werden, wie die Radiowellen, durch die Rotation des Jupiter beeinflusst und zeigen dadurch ein periodisches Muster ähnlich wie bei einem Pulsar.

Ringe, Monde, Teilchenströme

Wie vielfältig und komplex die Wechselwirkungen und Prozesse im Jupiter-Magnetfeld tatsächlich sind, haben in den letzten Jahren und Jahrzehnten Messungen von Sonden wie Pioneer 10, Voyager 1 und 2 und natürlich Galileo gezeigt.

Magnetfeldlinien (weiß) und Teilchenwolken in der Magnetosphäre des Jupiter. Rot: vom Magnetfeld gefangene geladene Teilchen. Grün: neutrale Teilchen vom Mond Io. Blau: neutrale Teilchen vom Mond Europa. © NASA/JPL, Johns Hopkins University APL

Während das irdische Magnetfeld vor allem durch Wechselwirkungen mit den geladenen Teilchen des Sonnenwinds verformt und beeinflusst wird, spielen beim Jupiter auch Interaktionen mit seinen Monden, Ringen und nicht zuletzt mit seiner eigenen Rotation eine entscheidende Rolle. So liegen gleich mehrere Monde, allen voran der vulkanisch aktive Mond Io, innerhalb des Magnetfeldes. Die von ihnen ausgeschleuderten Teilchen werden vom mit bis zu 100.000 Kilometern pro Stunde rotierenden Magnetfeld eingefangen und bilden mehrere dicke Ringe aus Plasma um den Jupiter.

Wie dieses komplexe und extrem starke Magnetfeld aber entsteht, das haben erst in jüngster Zeit die Erkenntnisse über das Innere des Gasriesen enthüllt. Denn im Gegensatz zur Erde besitzt der Jupiter keinen Kern aus festem und flüssigem Eisen, der als Dynamo wirken könnte. Stattdessen nimmt die Mischung aus metallisch-flüssigem Wasserstoff und Helium im Planeteninneren wahrscheinlich diese Rolle ein. Die in verschiedenen Regionen unterschiedlich schnelle Rotation und die auf- und absteigenden Konvektionsströmungen dieser leitfähigen Flüssigkeiten erzeugen die gewaltigen Magnetfeldkräfte des Gasplaneten.

Ob und wie dieser „Dynamo“ tatsächlich funktioniert, soll nun die NASA-Sonde Juno erkunden. Sie wird auch die Prozesse in der polaren Magnetosphäre des Gasriesen näher unter die Lupe nehmen – die Quelle von Teslas geheimnisvollem „Beep-beep“…

  1. zurück
  2. |
  3. 1
  4. |
  5. 2
  6. |
  7. 3
  8. |
  9. 4
  10. |
  11. 5
  12. |
  13. 6
  14. |
  15. 7
  16. |
  17. 8
  18. |
  19. 9
  20. |
  21. weiter

Nadja Podbregar
Stand: 01.07.2016

Teilen:
Anzeige

In den Schlagzeilen

Inhalt des Dossiers

Jupiter - Gasriese mit Geheimnissen
Besuch beim größten Planeten des Sonnensystems

„Mord“ mit Hochdruck
Die ersten Messungen aus der Jupiteratmosphäre

Das Rätsel des verlorenen Streifens
Erster Einblick in die Dynamik der Jupiteratmosphäre

Der „Rote Riese“
Blick in den größten Sturm des Sonnensystems

Wasserstoffmetall und Heliumregen
Abstieg in die Hölle des Jupiterinneren

„Beep-Beep“ aus dem All
Dem Magnetfeld des Jupiter auf der Spur

Entstehung ungeklärt
Warum Gasriesen wie der Jupiter eigentlich nicht existieren dürften

Januskopf Jupiter
Warum der Gasriese die Erde zugleich schützt und bedroht

Raumsonde Juno: Besuch beim Jupiter
Eckdaten und Ziele der Mission

Diaschauen zum Thema

News zum Thema

Radioblick unter die Wolken des Jupiter
Bisher genaueste Radiokarte zeigt Ammoniakbewegungen in der Atmosphäre des Gasriesen

Jupiters Wirbelstürme drehen anders
Computersimulation erklärt Bildung und Drehrichtung von Jupiters Sturmgiganten

Jupiter verändert sich
Roter Fleck schrumpft weiter, Filament und Welle geben Rätsel auf

Verdanken wir dem Jupiter unsere Existenz?
Wanderung des Gasriesen im frühen Sonnensystem machte die Erd-Entstehung erst möglich

Jupiter-Wanderung schuld an kleinem Mars?
Wanderung der Gasriesen könnte Marsgröße und Zusammensetzung des Asteroidengürtels erklären

Dossiers zum Thema