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Anthropogeographie

Auf heißer Flamme gegart

Gekochte Nahrung: Energieschub für das menschliche Gehirn

Charles Darwin bezeichnete die Fähigkeit, Feuer zu machen, neben der Entwicklung der Sprache als die größte Errungenschaft des Menschen. Mehrere moderne Erfindungen hätten sicherlich auch Anspruch auf einen recht hohen Platz in der Liste der bedeutenden menschlichen Erfindungen. Das Feuer spielte in der Entwicklung der frühen Menschen aber tatsächlich eine wichtige, möglicherweise alles entscheidende Rolle.

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Der Knackpunkt: Gegarte Nahrung ist leichter verdaulich. Die Verdauungsorgane müssen einerseits nicht so viel Arbeit leisten, um die Nährstoffe darin zu erschließen. Andererseits gewinnt der Körper mehr Kalorien und damit mehr Energie daraus – insgesamt also ein gewaltiger Energiegewinn.

20 Prozent Energiebedarf bei zwei Prozent Gewicht

Einer Theorie des US-Forschers Richard Wrangham zufolge ermöglichte erst diese eingesparte Energie dem Menschen schließlich, was ihn bis heute von den übrigen Tieren unterscheidet: das leistungsfähige Gehirn. Etwa ein Fünftel des täglichen Energiebedarfs nimmt unser Denkorgan für sich in Anspruch – dabei macht es gerademal zwei Prozent des Körpergewichts aus.

Dass diese nötigen Energiemengen allein mit roher Nahrung kaum zu decken sind, verdeutlicht ein Vergleich mit der Ernährung der großen Menschenaffen: Ein Gorilla verbringt bereits 80 Prozent des Tages mit Fressen. Um ein vergleichbar großes Gehirn wie der Mensch zu versorgen, müsste er noch rund zwei Stunden länger pro Tag mit der Nahrungsaufnahme verbringen, haben Karina Fonseca-Azevedo von der Universidade Federal do Rio de Janeiro und ihre Kollegen ausgerechnet.

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Gegrilltes Fleisch liefert mehr Energie und ist leichter verdaulich. © freeimages

Mehr Zeit für andere Dinge

Hätte der vor rund einer Million Jahren lebende Homo erectus sich ähnlich ernährt wie die heutigen Menschenaffen, hätte auch er mindestens neun Stunden täglich für die Nahrungssuche benötigt, wie die Forscherinnen ermittelten. Für andere Tätigkeiten wie das Werkzeugmachen oder soziale Kontakte wäre dann kaum mehr Zeit übrig geblieben.

Hinzu kommt, dass manche Pflanzen erst nach dem Kochen genießbar sind. Unverträgliche oder unverdauliche Bestandteile werden beim Garen aufgeschlossen oder abgebaut. Außerdem tötet die Hitze viele Bakterien oder Parasiten. Essen, das andernfalls krank machen würde, stellt so noch eine brauchbare Nahrungsquelle dar. Das Kochen, Braten oder Grillen hat also das Nahrungsangebot für die Frühmenschen stark erweitert und ihnen so ebenfalls Entwicklungsvorteile verschafft.

Wranghams Theorie hat allerdings einen Haken: Sie lässt sich mit bisherigen archäologischen Funden noch nicht zweifelsfrei bestätigen. Der Homo erectus tauchte bereits vor fast zwei Millionen Jahren auf. Die ältesten bekannten Hinweise auf menschlich genutzte Feuerstellen sind lediglich etwas mehr als eine Million Jahre alt – zu jung, um dem Homo erectus seine geistigen Fähigkeiten verliehen zu haben. Die Frage läuft also auf ein Henne-Ei-Problem hinaus: Haben die Menschen mit ihrem hochentwickelten Gehirn gelernt, das Feuer zu nutzen, oder hat erst das Feuer dem Gehirn den entscheidenden Zündfunken geliefert?

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Ansgar Kretschmer
Stand: 23.01.2015

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In den Schlagzeilen

Inhalt des Dossiers

Die Macht des Feuers
Das beherrschte Feuer in der Entwicklung des Menschen

Die ersten Flammen
Seit wann beherrscht der Mensch das Feuer?

Auf heißer Flamme gegart
Gekochte Nahrung: Energieschub für das menschliche Gehirn

Mehr als nur eine Kochstelle
Weitere Entwicklungsvorteile durch das Feuer

Lagerfeuer als Versammlungsort
Starthilfe für Kultur und Sozialverhalten

Brennt wie Zunder
Wie entzündet man ein Feuer?

Götterfunken
Feuer in der Mythologie

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