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Anthropogeographie

Alte Seewege

Auf den Spuren prähistorischer Seefahrer

Kon-Tiki 2 ist mehr als nur eine Expedition auf den Spuren Thor Heyerdahls und eine Tour zur meereswissenschaftlichen Forschung: Sie soll auch mehr Licht in die Frage bringen, ob und wie die frühen Seefahrer Südamerikas und Polynesiens miteinander in Kontakt standen.

Thor Heyerdahl auf der Kon-Tiki - er war davon überzeugt, dass die Vorfahren der Poynesier aus Südamerika kamen © Nasjonalbiblioteket Oslo

Denn klar ist: Sowohl die Indianerkulturen an der Westküste Perus und Ecuadors als auch die Polynesiers besaßen sowohl die Boote als auch das nautische Können, um den Ozean zu überqueren.

„Die an der Küste Ecuadors lebenden Manteño waren seefahrende Händler, die große seetüchtige Balsaholzflöße bauten, die sie zu einer reiche Handelsmacht machten“, erklärt Expeditionsleiter Torgeir Higraff.

Heyerdahls Theorie

Der norwegische Forscher und Abenteurer Thor Heyerdahl war deshalb davon überzeugt, dass die Vorfahren der Rapa Nui und der Polynesier einst aus Südamerika kamen. Um zu beweisen, dass diese Seefahrt selbst mit einfachen Flößen möglich ist, brach er 1947 mit der Kon-Tiki vom peruanischen Hafen Callao nach Polynesien auf. Und er schaffte es: Seine Floßfahrt über den Pazifik bewies in seinen Augen klar, dass Polynesien zuerst von präkolumbianischen Indianern besiedelt wurde.

Allerdings: Obwohl Heyerdahl mit dieser Expedition zum Star wurde, blieb die Fachwelt seiner Theorie gegenüber skeptisch. Tatsächlich geht man heute davon aus, dass die Inselwelt Polynesiens bereits vor tausenden Jahren vom asiatischen Festland und von den Philippinen aus besiedelt wurde. Die Osterinsel kolonisierten diese frühen Seefahrer jedoch erst im 13. Jahrhundert – ungünstige Winde verhinderten zuvor eine Anfahrt von Westen aus, wie Forscher kürzlich nachwiesen.

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Die Steinköpfe der Rapa Nui - hatte dieses Volk Kontakt mit präkolumbinaischen Indianern? © Jantoniov / CC-by-sa 3.0

Überraschende DNA-Befunde

Doch die Geschichte ist noch nicht zu Ende. Denn 2014 ergab eine DNA-Analyse von Nachfahren der Rapa Nui auf der Osterinsel Überraschendes: Ihr Erbgut ist zwar wie erwartet zu 76 Prozent polynesisch und zu 16 Prozent durch spätere Kontakte mit westlichen Seefahrern europäisch. Aber immerhin acht Prozent ihrer DNA ist indianisch-amerikanischen Ursprungs.

Und wie die Analysen ergaben, müssen diese Indio-Gene zwischen 1280 und 1425 in das Erbgut der Rapa Nui gelangt sein. Das lässt darauf schließen, dass es doch einen Kontakt zwischen der Osterinsel und dem präkolumbianischen Südamerika gab – wer dabei allerdings wen besuchte, bleibt unklar.

Segelten die Rapa Nui mit solchen Flößen nach Südamerika? Und kamen die Inka zur Osterinsel? © Kon Tiki 2

Wer waren die „Händler aus dem Westen“?

Aber es gibt noch ein Indiz: Spanischen Chroniken nach soll der Inka-Herrscher Tupac Yupanqui um 1480 herum mit „Händlern aus dem Westen“ gesprochen haben, die ihm von den weit entfernten Inseln erzählten, von denen aus sie nach Südamerika gekommen seien. Um diese Inseln zu finden, schickte Tupac Yupanqui eine große Flotte von Balsaholz-Flößen mit tausenden Mann Besatzung hinaus auf den Pazifik. Rund ein Jahr später kehren sie zurück und berichteten von der Entdeckung zweier bewohnter Inseln.

„Wir wissen nicht, wer diese Händler aus dem Westen waren oder welche Inseln die Inkas damals besuchten“, sagt Higraff. „Die Kon-Tiki 2-Expedition kann weder beweisen noch widerlegen, dass es diese Begegnung im Jahr 1480 gab. Aber wir können zeigen, dass solche Seereisen mit den Balsaholz-Flößen möglich waren, die die Inkas und vor ihnen schon andere Indianerkulturen bauten.“

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Nadja Podbregar
Stand: 11.12.2015

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In den Schlagzeilen

Inhalt des Dossiers

Per Floß zur Osterinsel
Mit der Expedition Kon-Tiki 2 über den Pazifik

Alte Seewege
Auf den Spuren prähistorischer Seefahrer

Balsaholz und Guara-Boards
Die Konstruktion der Flöße

Leben an Bord
Sieben Menschen – eine schwimmende Hütte

Meerestemperatur und Mikroplastik
Die wissenschaftlichen Aufgaben der Expedition

Interview: Warum das Ganze?
Fragen an den Expeditionsleiter Torgeir Higraff

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