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Phänomene

1.600 unnötige Opfer

War das Vermeidungsverhalten typisch amerikanisch?

Dieses konsistente Muster unterstützt die Hypothese, wonach die Terroranschläge über die Angst in den Köpfen, die sie verursachten, weitere Todesfälle gefordert haben. Insgesamt waren von Oktober 2001 bis September 2002 ungefähr 1.500 zusätzliche Unfälle mit tödlichen Folgen auf Amerikas Straßen zu beklagen. Jeder Unfall forderte dabei etwas mehr als ein Menschenleben, sodass insgesamt um die 1.600 Menschen ihr Leben bei dem Versuch verloren, dem Risiko des Fliegens zu entgehen – also rund sechsmal so viele wie die 256 Passagiere, die am 11. September in den Flugzeugen umgekommen waren.

Es drängt sich unweigerlich die Frage auf, inwieweit diese Ergebnisse einen Einzelfall darstellen oder ob sich ähnliche Phänomene auch in anderen Kulturen beobachten lassen. Zweieinhalb Jahre nach den Terroranschlägen in New York, am 11. März 2004, explodierten Bomben in vier Nahverkehrszügen in Madrid während der Hauptverkehrszeit. 200 Menschen wurden getötet, 1.460 verwundet.

U-Bahn in Madrid © Daniel Erler, CC 2.0

Wenn diese Anschläge in ähnlicher Weise Vermeidungsverhalten ausgelöst haben, sollte sich dies in einem Rückgang der Zugreisen widerspiegeln. In der Tat sanken die Passagierzahlen im spanischen Zugverkehr nach den Anschlägen, wenngleich der Effekt nicht so ausgeprägt und vor allem sehr viel kürzer auftrat (nur zwei statt zwölf Monate). Doch führte dies nicht dazu, dass gleichzeitig der Verkehr auf den Autobahnen anwuchs – ganz im Gegenteil: Die Spanier schienen nach den Anschlägen generell weniger zu reisen, sodass auch der Verkehr auf den Straßen und damit geringfügig auch die Zahl der Verkehrstoten abnahm.

Die Madrider Anschläge führten also nicht zu zusätzlichen Verkehrstoten, die sich durch die Angst in den Köpfen der Menschen erklären ließen. Im Gegensatz zu den Amerikanern stiegen die Spanier nicht aus Angst vor vermeintlich größeren Gefahren ins Auto.

Doch woher kommt es, dass in Spanien die Reaktionen auf den Terror so anders waren als in den Vereinigten Staaten? Einerseits gibt es in den USA vielleicht eine ausgeprägtere Kultur des Autofahrens, was dort das Umsteigen auf das Auto schon von Grund auf wahrscheinlicher machte. Andererseits ist in Spanien auch der öffentliche Nahverkehr besser ausgebaut und so boten sich dort mehr Alternativen. Zu guter Letzt empfinden Spanier nach Jahrzehnten des Terrors durch die ETA einen Terroranschlag vielleicht eher als kalkuliertes Risiko denn als dread risk.

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Stand: 14.09.2007

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In den Schlagzeilen

Inhalt des Dossiers

Die Angst nach dem Terror
Wie gehen wir mit Bedrohungen um?

Die Illusion der Gewissheit
Warum wir schlecht mit Unwägbarkeiten leben können

Die unlogische Angst
Das Beispiel BSE

Nach dem 11. September
Die unerwarteten Folgen des Terrors

„Dread risks“
Unwahrscheinlich, aber verheerend

Böse Falle Vermeidungsverhalten
Die indirekten Folgen des Terroranschlags

1.600 unnötige Opfer
War das Vermeidungsverhalten typisch amerikanisch?

Terror in den Köpfen
Informierter Umgang mit Risiken entscheidend

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