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Technik

Zug um Zug zu fossilfreien Gleisbaumaschinen

Technische Universität Graz

Schieneninfrastruktur wird derzeit großteils mittels dieselbetriebener Gleisbaumaschinen gebaut und erhalten. Gemeinsam mit Partnern untersucht die TU Graz Antriebsalternativen für die Spezialmaschinen.

Für den sicheren Eisenbahnbetrieb müssen Gleise regelmäßig instandgehalten und erneuert werden. Dazu braucht es Spezialbaumaschinen, die heutzutage großteils mit Dieselmotoren angetrieben werden. Besonders große Gleisbaumaschinengruppen mit einer Länge von mehreren Hundert Metern brauchen dabei bis zu 1000 Liter Diesel pro umzubauenden Gleiskilometer.

Gleisbaumaschinen sind nicht nur lärm- und emissionsintensiv, sondern arbeiten rund um die Uhr und führen simultan mehrere Arbeitsschritte durch, beispielweise den Gleiskörper erneuern oder Schienen schleifen. Seit Jahrzehnten wird als Standardtechnologie auch die sogenannte Schotterbettreinigungsmaschine eingesetzt, die im Schnitt rund 50 Prozent des Gleisschotters an Ort und Stelle wiederaufbereitet und so im Sinne der Kreislaufwirtschaft wertvolle Ressourcen spart und Materialtransporte verhindert.

Betrieb und Wartung von Gleisbaumaschinen sind ressourcenintensiv, gleichzeitig sind die Spezialfahrzeuge – wie alles im Eisenbahnwesen – auf eine lange Lebensdauer ausgelegt. „Hier kann man im Sinne der Nachhaltigkeit nicht ad hoc mit einer Innovation dazwischen grätschen und Maschinen verschrotten, die erst vor 10, 15 Jahren beschafft wurden“, sagt Matthias Landgraf vom Institut für Eisenbahnwesen und Verkehrswirtschaft der TU Graz. Die bestehenden Fahrzeuge müssen daher möglichst effizient und ressourcenschonend eingesetzt werden.

Alternative Lösungen für unterschiedliche Gleisbaumaschinen

Gemeinsam mit dem Weltmarktführer für Gleisbaumaschinen Plasser & Theurer untersuchte das Institut für Eisenbahnwesen und Verkehrswirtschaft der TU Graz erstmals sämtliche Gleisbaumaschinen und deren spezifische Arbeitsweise und eruierte die jeweils optimale fossilfreie alternative Antriebstechnologie. Darüber hinaus analysierte das Institut im Rahmen eines Forschungsprojektes des Deutschen Zentrums für Schienenverkehrsforschung (DZSF) die gesamte Flotte von rund 3.000 Nebenfahrzeugen in Deutschland, um eine optimierte Migrationsstrategie zu alternativ betriebenen Maschinen zu erarbeiten.

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Basierend auf der Analyse und den Ergebnissen eines an der TU Graz entwickelten Berechnungsprogrammes (CalCAS, Calculation of Comparison for Alternative Solutions) ergeben sich Empfehlungen zu alternativen Lösungen für unterschiedliche Gleisbaumaschinen: Gut 35 Prozent der eingesetzten Maschinen könnten demnach aus technischer und (arbeits-)rechtlicher Sicht ihren Energiebezug elektrisch über die Oberleitung abdecken – „jedenfalls die energieeffizienteste Lösung“, so Landgraf.

Für Gleisbaumaschinen bis 800 Kilowattstunden (kWh) Energiebedarf empfehlen die Forschenden eine Batterielösung als Hybrid mit Oberleitung zum Aufladen. Mittelfristig werde es hier auch Weiterentwicklungen am Energiesektor geben, die einen Einsatz von reinen Batterielösungen ermöglichen könnten, so Landgraf. Für Maschinen über 800 kWh elektrischem Energiebedarf wird ein Antrieb mittels Wasserstoff-Brennstoffzellen-Technologie als optimal erachtet. Bestehende Maschinen könnten überbrückend auf Bio- oder synthetische Kraftstoffen sowie mittelfristig auch auf Flüssigwasserstoff in Kombination mit einem Verbrennungskraftmotor zurückgreifen.

Strengere Vorschriften absehbar

Eine Umstellung auf alternative Antriebssysteme würde einen direkten Beitrag zur Reduktion von Treibhausgasemissionen leisten. Dem Institut der TU Graz zufolge produzieren die Gleisinstandhaltungsarbeiten alleine in Österreich jährlich 9.600 Tonnen CO2. „Es ist anzunehmen, dass auch diese Maschinen zukünftig strengeren Vorschriften unterliegen werden“, sagt Landgraf. Auch seitens der Bahngesellschafen steigt das Bewusstsein für die Notwendigkeit, negative Umweltauswirkungen zu verringern. Die Österreichischen Bundesbahnen (ÖBB), Prorail in Holland, die Deutsche Bahn und weitere Bahngesellschaften wollen spätestens ab 2030 keine neuen fossil betriebenen Maschinen mehr beschaffen.

Querschnitt aus Bau, Fahrzeug und Schiene

Alternative Antriebstechnologien werden vorrangig für Straßenfahrzeuge entwickelt. „Gleisbaumaschinen sind zwar auch Fahrzeuge, aber vom Typ her eher Baumaschinen – die eben selbst auf Schienen fahren“, erläutert Matthias Landgraf die Querschnittmaterie. Auch wenn die im Bausektor zum Teil schon eingesetzten alternativen Antriebe auch für die Gleisbaumaschinen an sich geeignet sind: Die Energieversorgungsinfrastruktur für alternativ angetriebene Gleisbaumaschinen, zum Aufladen von Antriebsbatterien oder Auftanken von Wasserstofftanks etwa, ist wiederum eng verknüpft mit der Bahninfrastruktur selbst.

Es sind viele Faktoren, die in der fossilfreien Zukunft von Gleisbaumaschinen entscheidend sind. Laut Matthias Landgraf sollen die Erkenntnisse der gemeinsamen Studie die Bewertung alternativer Antriebstechnologien für Gleisbaumaschinen und die Abwägung von Chancen und Risiken unterstützen. „Im besten Fall fließen diese Ergebnisse in Regelwerke und Ausschreibungsrichtlinien ein. Das würde den Herstellern von Gleisbaumaschinen enorm bei einem Umdenken und Umrüsten helfen.“ Die ÖBB Infrastruktur AG hat bereits einen wesentlichen Schritt gesetzt und 56 alternativ betriebene Instandhaltungsmaschinen von Plasser & Theurer beschafft, wovon die ersten bereits 2023 im Einsatz sein werden.

Fossilfrei – und leiser

Ein nicht unwesentlicher Nebenschauplatz: Fossilfreie Nebenfahrzeuge im Eisenbahnwesen tragen nicht nur erheblich zur Verringerung der CO2-Bilanz der Bahn bei. Elektrisch betriebene Schienenfahrzeuge vermeiden den Ausstoß von Stickoxid und Feinstaub und sind vor allem sehr viel leiser – positiv besonders für Menschen, die an Bahnstrecken wohnen oder an den Maschinen selbst arbeiten.

Quelle: Technische Universität Graz

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