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Geowissen

Optimierte Mikrobenfabriken

Max-Planck-Institut für chemische Ökologie

Forschungsprojekte, die von der Max-Planck- und der Fraunhofer-Gesellschaft gemeinsam durchgeführt werden, erhalten eine zusätzliche finanzielle Förderung und stoßen dadurch die Tür weit auf zu neuen Erkenntnissen in direkter Kombination mit industriellen Anwendungen. Wissenschaftler des Fraunhofer-Instituts für Molekularbiologie und Angewandte Ökologie, Aachen, und des Max-Planck-Instituts für chemische Ökologie, Jena, werden sich in den kommenden drei Jahren der Optimierung des sogenannten MEP-Stoffwechselweges widmen. Mikroben und die Chloroplasten der Pflanzen bilden über diesen Weg zahlreiche Wirkstoffe, die der Mensch seit Jahrtausenden pharmakologisch, im Pflanzenschutz oder zu industriellen Zwecken nutzt. Produktion und Gewinnung der Wirkstoffe sind aber in der Regel nur unter großem technischem Aufwand möglich. Das Ziel des Gemeinschaftsprojekts ist es daher, Bakterien mit einem verbesserten MEP-Biosyntheseweg einzusetzen, um die Biosynthese, Handhabung und Ausbeute MEP-abhängiger Naturstoffe grundlegend zu verbessern.

Enge Verwandte: Chloroplasten und Prokaryonten

Die entscheidende Hilfestellung für das Zustandekommen der Kooperation zwischen dem Fraunhofer- und dem Max-Planck-Institut kommt aus der Natur selbst dank eines Ereignisses, das mit ziemlicher Wahrscheinlichkeit und schon vor vielen Millionen Jahren stattgefunden hat. Im Laufe der Evolution haben Einzeller andere einzellige Lebensformen in sich aufgenommen, beispielsweise Vorläufer der heute vorkommenden prokaryontischen Cyanobakterien. Aus einer solchen „Endosymbiose“, so die Theorie, sind die Pflanzenzellen mitsamt ihren Chloroplasten entstanden, und die Chloroplasten zeigen bis heute immer noch Ähnlichkeit mit prokaryontischen Zellen.

Wie Pflanzenwissenschaftler vor einigen Jahren herausgefunden haben, besitzen Chloroplasten – die Endosymbiontentheorie einmal mehr erhärtend – einen Stoffwechselweg, der ebenfalls in Prokaryonten, z.B. Bakterien, vorkommt und der Herstellung zahlreicher sogenannter Sekundärmetabolite dient: den Methylerythritol-4-Phosphat-Weg, kurz MEP-Stoffwechselweg. Aus Zwischenprodukten der Glykolyse erfolgt in mehreren Schritten die Synthese von aus je fünf Kohlenstoffatomen bestehenden Moleküleinheiten, aus denen baukastenähnlich beispielsweise Chlorophylle, Carotinoide, Terpene, Cytokinine, Sterole und viele andere biologische Substanzen gebildet werden. Auch die Produktion mancher Giftstoffe, die Pflanzen gegen Schädlinge einsetzen, basiert auf dem MEP-Stoffwechselweg.

Vitamine und Aromen, Medikamente und Pflanzenschutzmittel: Die Gewinnung vieler Wirkstoffe für den täglichen Gebrauch ist nach wie vor umständlich.

Die Entdeckung vieler heute gebräuchlicher Substanzen in Pflanzen und Bakterien hat der Menschheit viel Gutes geleistet. Jedoch: Deren Isolation, Reinigung und Aufarbeitung aus den natürlichen Ressourcen ist umständlich und teuer. Eine chemische Synthese wiederum ist deswegen schwierig oder gar unmöglich, weil alle diese Substanzen komplizierte Kohlenwasserstoff-Strukturen darstellen, deren exakter und schrittweiser Aufbau in der Retorte so gut wie unmöglich ist. Die Gewinnung der Grundsubstanz Isopren aus Erdöl – ein heute immer noch geläufiges Verfahren – ist wiederum weder umweltfreundlich und noch nachhaltig. Stefan Jennewein vom Fraunhofer-Institut für Molekularbiologie und Angewandte Ökologie sowie Louwrance Wright und Jonathan Gershenzon vom Max-Planck-Institut für chemische Ökologie haben sich daher vorgenommen, den vor rund 15 Jahren entschlüsselten MEP-Stoffwechselweg, der zur Biosynthese der Isopren-Grundbausteine führt, derart zu studieren und zu modifizieren, dass die Herstellung der für den Menschen wichtigen Substanzen durch den Einsatz optimierter Bakterien erheblich erleichtert wird. Die Max-Planck-Wissenschaftler widmen sich der Frage nach der Regulation des MEP-Stoffwechselweg am Beispiel der Chloroplasten aus der Modellpflanze Arabidopsis thaliana und Stefan Jennewein bearbeitet die mikrobiologisch-technische Seite: Er erzeugt transgene Bakterienstämme der Spezies Escherichia coli und Clostridium ljungdahlii, die nach Optimierung ihres MEP-Stoffwechselweges die Endprodukte produzieren sollen.

Optimierter MEP-Stoffwechsel: bessere Ausbeute, bessere Qualität

Erforscht werden in den kommenden drei Jahren – und dank einer Förderung von rund 1,6 Millionen EUR für beide Institute – die Regulation der Aktivität der sieben aufeinanderfolgenden enzymatischen Katalyseschritte, die jeweiligen Metabolitgehalte der Zwischenprodukte durch Verwendung von 13C Isotopen sowiedie Bildung der Enzyme auf den Ebenen der Transkription und Translation ihrer jeweils kodierenden Gene. Zum Einsatz kommen auch transgene Pflanzen und Bakterien, in denen ausgewählte Enzyme ausgeschaltet oder überexprimiert sind, um im Vergleich mit unveränderten Organismen die Schlüsselrolle bestimmter Biosyntheseschritte herauszufinden. Auch ein Einfügen alternativer oder zusätzlicher Gene in die beiden Bakterienarten Escherichia coli und Clostridium ljungdahlii ist geplant. In Großfermentern eingesetzt, sollen dann aus MEP-Stoffwechselweg-optimierten Mikroorganismen die gewünschten Produkte gewonnen werden.

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Für die chemische Industrie sind MEP-optimierte Bakterien auch im Zusammenhang mit der Verarbeitung sogenannten Syngases interessant. Syngas, eine Mischung aus Kohlendioxid, Kohlenmonoxid und Wasserstoff, fällt beispielsweise in Kraftwerken und Stahlhütten an. MEP-optimierte Clostridium-Bakterien mit verbesserter Isopren-Synthase könnten diese drei Gase zu Isopren umsetzen, aus dem nachfolgend beispielsweise Isopren-Kautschuk gewonnen werden könnte. In vergleichbaren Prozessen könnten aus Syngas sogar Biokraftstoffe hergestellt werden. Ein solches, auf Bakterien beruhendes Verfahren ist der herkömmlichen Fischer-Tropsch-Synthese überlegen, da Syngas ungereinigt in Fermentern eingesetzt werden kann. Dem auf Metallkatalyse basierenden Fischer-Tropsch-Verfahren hingegen muss hochgereinigtes Syngas zugeführt werden.Zudem ist es sehr energieaufwendig.

Medikamente gegen Malaria und Tuberkulose

Die Erforschung der entscheidenden Regulationsschritte des MEP-Stoffwechselweges kann auch zur Entwicklung und Produktion neuer Pharmazeutika für den Menschen beitragen, beispielsweise gegen Krebs oder Malaria. Die Wirkstoffe Taxol beziehungsweise Artemisinin könnten durch Bakterien mit modifiziertem MEP-Stoffwechsel in Fermentern erzeugt und gewonnen werden.

(Max-Planck-Institut für chemische Ökologie, 11.07.2013 – KSA)

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