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Geowissen

Mikrowellenradar überwacht rutschige Hänge

Technische Universität Darmstadt

Wenn ganze Berghänge ins Rutschen geraten, droht Gefahr. Vorhersage und Überwachung dieser Massenbewegungen sind nicht immer einfach. In einem internationalen Projekt kombinierten Wissenschaftler der TU Darmstadt in Nordtirol Rechenmodelle mit Mikrowellenradarsystemen – mit vielversprechenden Ergebnissen.

Der Hang „Steinlehnen“ in Nordtirol (Österreich) kam 2003 in Bewegung. Felsstürze bedrohten Menschen, Straßen und Gebäude. Mittlerweile ist wieder Ruhe eingekehrt, der Hang „kriecht“ nur noch, aber für Wissenschaftler ist der „Steinlehnen“ in den vergangenen Jahren zum interessanten Forschungsobjekt geworden.

„Ein Hang ist etwas ungeheuer Komplexes“

Professor Andreas Eichhorn, Fachgebiet Geodätische Messsysteme und Sensorik am Fachbereich Bau- und Umweltingenieurwissenschaften der Technischen Universität Darmstadt, stieß das interdisziplinäre Projekt KASIP (Knowledge-based Alarm System with Identified Deformation Predictor) in Zusammenarbeit mit der TU Wien und dem Forschungsinstitut alpS an, bei dem es darum ging, die messtechnische Beobachtung des Hanges mit Computermodellen zu verknüpfen. „Ein Hang ist etwas ungeheuer Komplexes“, sagt Eichhorn. Wie genau eine Bergflanke aufgebaut ist und wie ein Versagensmechanismus dann im Detail funktioniert, lässt sich nur schwer ergründen. So wird man sich auch in Zukunft nicht allein auf computergestützte Modelle zur Vorhersage von Massenbewegungen verlassen können, sondern braucht zusätzlich effektive, präzise und möglichst umfassende Überwachungs- und Beobachtungssysteme.

Dafür testeten Eichhorn und sein Team am „Steinlehnen“ verschiedene Methoden. „Die Installation von Sensoren in hochaktiven Zonen des Berges ist sehr gefährlich“, erklärt Eichhorn. „Wir haben nach einem Verfahren gesucht, das unter anderem eine berührungslose Beobachtung möglich macht.“ Am Ende erwies sich eine Technologie als besonders geeignet, deren physikalisches Grundprinzip zwar in der Geodäsie schon lange zum Einsatz kommt, aber für die Überwachung von Hängen noch nie genutzt wurde: ein Mikrowellenradar des Fachgebiets Physikalische Geodäsie und Satellitengeodäsie der TU Darmstadt (Professor Matthias Becker), das die Darmstädter Wissenschaftler um Eichhorn am „Steinlehnen“ prototypisch anwendeten.

„Beim Laser ist das Rauschen zu groß“

Dabei wird ein Hang auf ganzer Fläche mit Mikrowellen „beschossen“, die von der Oberfläche zurückgeworfen werden und analysiert werden können. Durch den Vergleich verschiedener Messungen können die Wissenschaftler Veränderungen im Millimeterbereich dokumentieren. Anhäufungen oder Abtragungen von Felsmaterial oder auch der Beginn einer größeren Rutschung können so erfasst werden, wie Eichhorn erklärt. Im Gegensatz zu Verfahren, die die Oberfläche etwa mit Laserlicht abtasten, liefern Mikrowellen viel weniger Stördaten. „Beim Laser ist das Rauschen zu groß“, sagt Eichhorn. Die Doktorandin Sabine Rödelsperger entwickelte in ihrer Dissertation eine Auswertestrategie zur Interpretation der Messdaten, die es unter anderem auch ermöglicht, meteorologische Störeinflüsse herauszurechnen und zu aussagekräftigen 3D-Bildern des Hangs zu kommen.

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Während der KASIP-Kampagne gewannen die Geodäten aus Darmstadt gemeinsam mit ihren Kollegen aus der Geophysik viele wichtige Erkenntnisse zur genaueren Interpretation etwa von geophysikalisch beobachteten Phänomen oder auch zur Korrelation zwischen Wetter und dem Rutschverhalten des Hangs. Doch die Forschung hat auch praktischen Nutzen, wie Eichhorn erklärt: „Rein technologisch ist eine kontinuierliche, flächenhafte, hochaufgelöste Überwachung eines kritischen Hangs möglich. Man kann Beschleunigungen – als einen frühzeitigen Indikator für ein mögliches Abrutschen großer Massen – erkennen und auch feststellen, wann der Hang wieder zur Ruhe kommt.“

Die Mikrowellen-Radargeräte sind noch sehr teuer, aber das Verfahren habe bereits jetzt Potenzial für ein gutes Frühwarnsystem: „Wenn man kritische Hänge damit beobachten würde, könnte man zuverlässig feststellen, wo gerade etwas geschieht“, sagt Eichhorn. „Dort könnte man dann gezielt günstigere Messsysteme mit ihren Sensoren zum Einsatz bringen.“

(Technische Universität Darmstadt, 05.03.2014 – AKR)

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