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Physik

Lang ersehnte Begründung für mysteriöse Effekte in Hochtemperatursupraleitern

Ruhr-Universität Bochum

Ein deutsch-französisches Forscherteam hat ein neues Modell aufgestellt, das erklärt, wie sich in Hochtemperatursupraleitern der sogenannte „Pseudogap“-Zustand bildet. Die Berechnungen sagen zwei gleichzeitig existierende Elektronenordnungen voraus. Supraleiter verlieren ab einer bestimmten Temperatur ihren elektrischen Widerstand und können Strom verlustfrei leiten.

„Es ist nicht auszuschließen, dass die neue ‚Pseudogap‘-Theorie auch die lang ersehnte Begründung liefert, warum bestimmte keramische Kupferoxidverbindungen im Gegensatz zu herkömmlichen metallischen Supraleitern bei so ungewöhnlich hohen Temperaturen ihren elektrischen Widerstand verlieren“, sagen Konstantin Efetov und Hendrik Meier vom Lehrstuhl für Theoretische Festkörperphysik der Ruhr-Universität Bochum. Die Erkenntnisse erzielten sie in enger Kooperation mit Catherine Pépin vom Institut für Theoretische Physik in Saclay bei Paris. Das Team berichtet in der Zeitschrift „Nature Physics“.

Sprungtemperatur bei keramischen Supraleitern deutlich höher

Supraleitung tritt nur bei sehr niedrigen Temperaturen unterhalb der sogenannten Sprungtemperatur auf; in metallischen Supraleitern liegt diese nahe dem absoluten Nullpunkt von 0 Grad Kelvin; das entspricht etwa -273 Grad Celsius. Kristalline Keramikmaterialien können jedoch bei Temperaturen bis zu 138 Grad Kelvin supraleitend sein. Forscher rätseln seit 25 Jahren, was die physikalischen Grundlagen dieser Hochtemperatursupraleitung sind.

„Pseudogap“: Energielücke oberhalb der Sprungtemperatur

Im supraleitenden Zustand wandern Elektronen zu zweit in sogenannten Cooper-Paaren durch das Kristallgitter eines Materials. Um ein Cooper-Paar aufzubrechen, sodass zwei freie Elektronen entstehen, braucht es eine bestimmte Energiemenge. Dieser Unterschied in der Energie der Cooper-Elektronen und der freien Elektronen wird Energielücke genannt. In supraleitenden Kupferoxidverbindungen, den Cupraten, tritt eine ähnliche Energielücke unter bestimmten Umständen auch oberhalb der Sprungtemperatur auf – das „Pseudogap“ oder die Pseudoenergielücke. Kennzeichnend für das „Pseudogap“ ist, dass die Energielücke nur von Elektronen mit bestimmten Geschwindigkeitsrichtungen wahrgenommen wird. Das Modell des deutsch-französischen Teams erlaubt jetzt neue Einblicke in das physikalische Innenleben des „Pseudogap“-Zustands.

Zwei konkurrierende Elektronenordnungen im „Pseudogap“-Zustand

Laut Modell beinhaltet der „Pseudogap“-Zustand gleichzeitig zwei Elektronenordnungen: die d-Wellen-Supraleitung, bei der die Elektronen eines Cooper-Paares in einer Kleeblattform umeinander kreisen, und eine Quadrupoldichtewelle. Bei letzterer handelt es sich um eine spezielle elektrostatische Struktur, bei der an jedem Kupferatom im zweidimensionalen Kristallgitter ein Quadrupolmoment vorliegt – also zwei gegenüberliegende Bereiche negativer Ladung und zwei gegenüberliegende Bereiche positiver Ladung. d-Wellen-Supraleitung und Quadrupoldichtewelle konkurrieren im „Pseudogap“-Zustand miteinander.

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Aufgrund thermischer Fluktuationen kann sich keine der beiden Ordnungen durchsetzen. Kühlt man das System jedoch ab, werden die thermischen Fluktuationen schwächer und eine der beiden Ordnungen gewinnt die Oberhand: die Supraleitung. Die kritische Temperatur, bei der das passiert, kann in dem Modell wesentlich höher sein als die Sprungtemperatur von konventionellen metallischen Supraleitern. Das Modell könnte somit erklären, warum die Sprungtemperatur in den keramischen Supraleitern so viel höher liegt.

Hochtemperatursupraleiter auf Kupferoxidbasis werden auch Cuprate genannt. Zusätzlich zu Kupfer und Sauerstoff können sie zum Beispiel die Elemente Yttrium und Barium enthalten (YBa2Cu3O7). Damit das Material supraleitend wird, bringen Forscher “positive Löcher“, also Elektronenfehlstellen, in das Kristallgitter ein. Durch diese können die Elektronen in Cooper-Paaren „fließen“. Man spricht von Lochdotierung. Der „Pseudogap“-Zustand stellt sich nur ein, wenn das Cuprat weder zu wenig noch zu stark lochdotiert ist.

(Ruhr-Universität Bochum, 04.06.2013 – NPO)

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