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Raumfahrt

20 Jahre ISS: Die unwahrscheinlichste Maschine, die die Menschheit jemals gebaut hat

Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR)

Die Internationale Raumstation ISS umkreist die Erde in rund 350 bis 400 Kilometern Höhe. Achtmal bereits musste sie einem heranrasenden Schrottteilchen ausweichen. © NASA

Heute vor 20 Jahren, am 20. November 1998, hob eine russische Proton-Rakete vom Kosmodrom in Baikonur ab und brachte mit dem Sarja-Modul (Sarja, russ. für Morgenröte) das erste Element der Internationalen Raumstation ISS in die Erdumlaufbahn. 16 Tage später, am 6. Dezember 1998 verband die Besatzung des Space Shuttles Endeavour das russische Sarja-Modul mit dem US-amerikanischen Unity-Modul. Das Andockmanöver bedeutete weit mehr als eine beeindruckende technische Leistung. Es war der sichtbare Anfang des größten Kooperationsprojektes der Menschheit im All.

Mit der Internationalen Raumstation ISS kam eine dauerhafte internationale Zusammenarbeit zwischen Russland, den USA, Europa, Kanada und Japan im Weltraum zustande. Deutschland ist über die Europäische Weltraumorganisation ESA mit etwa 37 Prozent am Betrieb und mit rund 45 Prozent an der Wissenschaft auf der ISS beteiligt und damit der wichtigste Partner der ISS in Europa. Die deutsche Raumfahrtagentur im Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) in Bonn koordiniert und managt diese Beiträge an die ESA.

Historischer Start

Schon der Start der Proton-Rakete mit dem Sarja-Modul an Bord gilt als historisch, markiert er doch nicht nur den Transport des ersten ISS-Elements in die Erdumlaufbahn, sondern auch den Beginn der intensivsten Flugphase in der Geschichte der Raumfahrt. Seither hat die Raumstation zu vielen Umschreibungen inspiriert. Immer wieder genannt wird: Die ISS ist unser Außenposten im Weltall. Sie steht für die Überwindung des Kalten Krieges und die friedliche Kooperation im All zum Wohle aller.

„Und sie ist eine ideale Testumgebung für neue Technologien und wissenschaftlichen Disziplinen und ein einzigartiges Labor für Experimente, die in keiner wissenschaftlichen Einrichtung auf der Erde durchgeführt werden können“, sagt Volker Schmid, Leiter der Fachgruppe ISS in der deutschen Raumfahrtagentur im DLR.

Stetiger Ausbau

In den Jahren bis 2012 kamen zahlreiche weitere Module und Bauelemente hinzu. Die mit russischen Trägerraketen oder dem amerikanischen Space Shuttle transportierten Bauteile haben die ISS in 32 Ausbaustufen zu einer weit verzweigten Forschungsstation anwachsen lassen. 42 Flüge waren notwendig, um die Module und großen Komponenten in die Umlaufbahn zu transportieren. Wog der erste ISS-Baustein, das 12,60 Meter lange Sarja-Modul, gut 20 Tonnen, bringt die ISS aktuell eine Gesamtmasse von rund 420 Tonnen auf die Waage. Die Raumstation besteht heute aus sechs Forschungslaboren, zwei Wohneinheiten, einer Beobachtungskuppel, etlichen Stauräumen, Verbindungsknoten, Andockvorrichtungen und Roboterarmen. Ihre Bewohner haben mit rund 1000 Kubikmetern in etwa so viel Platz zum Leben und Arbeiten wie in einer Boeing 747.

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Wohnen und Arbeiten im Orbit

Seit November 2000 halten sich ständig Astronauten auf der Raumstation auf, im Februar 2001 dockte mit dem US-amerikanischen Destiny-Modul die erste Forschungseinheit an. Damit konnte die Wissenschaft in rund 400 Kilometern Höhe und bei permanenter Schwerelosigkeit beginnen.

Das DLR ist von Beginn an auf der ISS „vertreten“: Tatsächlich war es ein deutsch-russisches Experiment zur Untersuchung von kalten Plasmen, das im Februar 2001 die naturwissenschaftliche Forschung auf der Raumstation einleitete. Die Plasmakristallexperimente gehören zu den erfolgreichsten Forschungsarbeiten auf der ISS. Mehr als 70 wissenschaftliche Publikationen belegen den Wissenszuwachs aus den Experimenten der letzten 15 Jahre. Die Arbeiten haben grundlegende Erkenntnisse erbracht, die insbesondere der Festkörper- und Flüssigkeitsphysik dienen, aber auch Anwendungen in der Weltraumphysik, der Plasmaphysik und Plasmatechnologie sowie der Fusionsforschung ermöglichen.

„Columbus“ – das europäische Raumlabor

Das wissenschaftliche Herzstück für die europäische Forschung auf der Internationalen Raumstation ist seit zehn Jahren das Weltraumlabor Columbus. In der Schwerelosigkeit gewinnen Forscher einzigartige Erkenntnisse aus unterschiedlichsten Disziplinen, von Astrophysik über Materialforschung bis hin zu Psychologie und Behandlungsmöglichkeiten in der Medizin. Das Columbus-Raumlabor wurde im Auftrag der ESA entwickelt und dabei vom DLR eng betreut. Das German Space Operations Center (GSOC) beim DLR in Oberpfaffenhofen steuert und überwacht den Betrieb des europäischen Raumlabors. Insgesamt haben die Besatzungen der ISS bis heute insgesamt mehr als 2500 Experimente abgeschlossen. Mehr als 360 ESA-Experimente wurden bisher auf der ISS durchgeführt, etwa die Hälfte davon stammt aus Deutschland. Das Nutzerunterstützerzentrum MUSC des DLR in Köln überwacht und betreut die materialwissenschaftlichen Experimente.

Das erfolgreiche Andocken des Columbus-Weltraumlabors an die ISS ist verbunden mit dem Namen Hans Schlegels. Der deutsche Astronaut hatte am 7. Februar 2008 mit dem Space Shuttle Atlantis seine Reise zur Raumstation angetreten. Für die Montage war er fast sieben Stunden außerhalb der ISS im freien Raum. Schlegel ist damit der zweite Deutsche nach Thomas Reiter, der einen Außenbordeinsatz durchgeführt hat. Reiter hatte im Sommer 2006 ein neues Kapitel aufgeschlagen, indem er als erster europäischer Langzeitastronaut fast sechs Monate auf der Station verbrachte, um neben Wartungs- und Servicearbeiten mehr als 30 wissenschaftliche Experimente durchzuführen.

Das dritte deutsche Besatzungsmitglied auf der ISS ist Alexander Gerst, der 2014 während der Mission „Blue Dot“ sechs Monate lang als Bordingenieur auf der Raumstation arbeitete. Seinen zweiten Langzeitaufenthalt hat der 42-jährige Physiker im Juni 2018 mit seiner Mission „horizons“ begonnen. Am 3.Oktober übernahm er als erster Deutscher und zweiter Europäer das Kommando auf der ISS. Alexander Gerst hat aus der Erdumlaufbahn nicht nur beeindruckende Bilder unseres blauen Planeten geschickt, sondern auch eine weitere Umschreibung der Raumstation: Sie sei die „komplexeste, wertvollste und unwahrscheinlichste Maschine, die die Menschheit jemals gebaut hat – zum Wohle aller.“

Während der aktuellen horizons-Mission arbeiten etwa 100 Wissenschaftler, Ingenieure und Programmmanager in der ganzen Bundesrepublik an 41 deutschen Experimenten.

(Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR), 21.11.2018 – NPO)

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