Anzeige
Astronomie/Kosmologie

Exotische Stabilisatoren

Negative Energie und der Casimir-Effekt

Wie könnte ein passierbares Wurmloch aussehen? Diese Frage stellte der Astrophysiker und Schriftsteller Carl Sagan im Jahr 1985 seinem Kollegen Kip Thorne, als er ihm den Entwurf für den Roman „Contact“ zeigte. Angeregt durch diese Frage, begann Thorne nach einer Lösung zu suchen, die das Problem der Schwarzen Löcher und ihrer unüberwindbaren „Nebenwirkungen“ umgehen kann.

Wurmloch mit Raumschiff
Wie "konstruiert" man ein passierbares Wurmloch? © Sylphe/ iStock.com

Dem Physiker war schnell klar: Sollte es passierbare Wurmlöcher geben, müssten sie Einsteins Feldgleichungen gehorchen, keine zu großen Gezeitenkräfte erzeugen, stabil sein und dürften keinen Horizont aufweisen, der nur in eine Richtung passierbar ist. „Um ein Wurmloch zu sein, muss es zudem eine ‚Kehle‘ besitzen, die zwei asymptotisch flache Regionen der Raumzeit miteinander verbindet“, erklärt der Physiker in einem Fachartikel.

Das Problem der negativen Energie

Als Thorne jedoch die Gleichungen für ein solches Wurmloch entwickelte, stieß er auf ein Problem: Wie sich zeigte, müsste die „Kehle“, also der Eingangstrichter, eines solchen Wurmlochs extrem „steif“ sein – er müsste der starken Gravitation eines solchen Gebildes widerstehen. Dafür aber müsste es in der Kehle ein Material geben, das der Gravitation entgegenwirkt.

„Um die Raumzeit in der erforderlichen Weise zu krümmen, bräuchte man Materie mit negativer Masse und eine negative Energiedichte“, erläuterte der britische Physiker Stephen Hawking in einer Vorlesung. Das Problem jedoch: Nach den Prinzipien der klassischen Physik kann es keine Materie geben, die eine antigravitative Wirkung entfaltet – und auch eine negative Energiedichte galt lange als ein nicht nachweisbares Phänomen.

Quantenfluktuationen und der Casimir-Effekt

Doch Hawkings Erkenntnisse zur Physik der Schwarzen Löcher und im Speziellen zur sogenannten Hawking-Strahlung bieten einen möglichen Ausweg aus diesem Dilemma. Denn aus ihnen lässt sich ableiten, dass selbst das vermeintlich leere Vakuum des Raumes weder leer noch energielos ist. Stattdessen sorgt das Unschärfeprinzip der Quantenphysik dafür, dass ständig Paare von Teilchen und Antiteilchen entstehen und wieder verschwinden. Diese Quantenfluktuation bedeutet, dass auch das Vakuum immer ein bestimmtes Energieniveau besitzt – auch wenn es landläufig als Nullebene der Raumzeit gilt.

Anzeige
Casimir-Effekt
Der Casimir-Effekt: Würde man einen Teil des Raumes durch zwei Metallplatten eingrenzen, könnte sich darin die Quantenfluktuation nicht mehr voll entfalten. © Emok/CC-by-sa 3.0

Genau an diesem Punkt setzt das Konzept der negativen Energie an – Hawking erklärt es mit dem sogenannten Casimir-Effekt: Würde man einen Teil des leeren Raumes durch zwei parallele Metallplatten in geringem Abstand eingrenzen, könnte sich darin die Quantenfluktuation nicht mehr voll entfalten. Denn der geringe Raum lässt nur noch Fluktuationen bestimmter Wellenlängen zu – Wellenlängen deshalb, weil man Teilchen in der Quantenphysik auch als Wellen beschreiben kann.

„Das Resultat sind etwas weniger Vakuumfluktuationen oder virtuelle Partikel als außerhalb der Platten“, erklärt Hawking. Dadurch hat der Raum zwischen den Platten eine geringere Energie als außerhalb – die Raumzeit ist in ihm negativ gekrümmt.

Lässt sich das praktisch nutzen?

„Der Casimir-Effekt bestätigt uns, dass wir die Raumzeit in negative Richtung krümmen können“, so Hawking. Seiner Ansicht nach könnte diese negative Krümmung die Raumzeit so umformen, dass ein Wurmloch entsteht. Thorne sieht darin genau den exotischen Effekt, den man benötigen würde um die „Kehle“ eines Wurmlochs offenzuhalten. Allerdings: „Es könnte durchaus sein, dass die fundamentalen Gesetze der Physik ein solches exotisches Material im makroskopischen Maßstab verbieten“, schreibt Thorne. „Uns ist aber bisher kein Beweis dafür bekannt.“

Aber selbst, wenn die negative Energie in ausreichender Menge vorhanden wäre, bleibt das Problem, wie man sie konkret manipulieren kann, um ein Wurmloch zu erzeugen. Carl Sagan umgeht dieses Problem in seinem Roman, indem er eine fortgeschrittene, aber bereits verschwundene Zivilisation die entsprechende Technologie dafür entwickeln lässt.

Der Physiker Hawking hielt es zumindest nicht für ausgeschlossen, dass so etwas eines Tages möglich sein könnte: „Es könnte möglich sein, wenn wir in Wissenschaft und Technologie weiter voranschreiten, dass wir so ein Wurmloch konstruieren könnten“, sagte er in seiner Vorlesung. Ob und wie solche Wurmlöcher von Natur aus entstehen könnten, ist allerdings völlig offen.

  1. zurück
  2. |
  3. 1
  4. |
  5. 2
  6. |
  7. 3
  8. |
  9. 4
  10. |
  11. 5
  12. |
  13. weiter
Teilen:
Anzeige

In den Schlagzeilen

Inhalt des Dossiers

Wurmlöcher
Science-Fiction oder physikalische Realität?

Kosmische Abkürzung
Was ist ein Wurmloch?

Weg ohne Wiederkehr
Wären Wurmlöcher passierbar?

Exotische Stabilisatoren
Negative Energie und der Casimir-Effekt

Verschränkte Raumzeit
Wurmloch-Passage als "spukhafte Fernwirkung"?

Diaschauen zum Thema

News zum Thema

Reise durch ein Wurmloch überstehbar?
Wirkung von Gravitation und Gezeitenkräften auf ein hindurchfliegendes Objekt untersucht

Forscher berechnen elektromagnetisches Wurmloch
Tarnkappen-Technologie ist auch in Röhrenform möglich

Dossiers zum Thema