Anzeige
Klima

Wenn Puffer kollabieren

Amazonas-Regenwald, Ozean und Biosphäre

Das Klima verdankt seine bislang relativ robuste und eher träge Reaktion auf Störungen den vielen Puffern im System. So wirken die Ozeane als CO2-Senke, indem sie rund ein Viertel der anthropogenen CO2-Emissionen aufnehmen und so aus der Atmosphäre fernhalten – zumindest noch. Und auch die Pflanzenwelt und insbesondere die Wälder nehmen mehr CO2 auf als sie abgeben und wirken so als Senken. Die Biosphäre schluckt ebenfalls rund 25 Prozent der anthropogenen Emissionen.

Regenwald
Tropische Regenwälder, hier in Brasilien, sind wichtige CO2-Senken. © FG Trade/ iStock.com

Doch auch diese wichtigen Puffer sind Kippelemente im Klimasystem: Wechseln sie ihren Zustand, können sie von CO2-Senken zu CO2-Schleudern werden. Schon jetzt belegen Studien, dass beispielsweise stark zerstückelte Regenwälder mehr CO2 freisetzen als aufnehmen. Und bei extremer Dürre und Hitze weisen die afrikanischen Tropenwälder ebenfalls eine erhöhte CO2-Emission auf – noch ist dies allerdings reversibel.

Amazonas: Nah am Kipppunkt

Anders könnte dies beim Amazonas-Regenwald sein, einem besonders schnell reagierenden Kippelement im Klimasystem. Die riesige Waldfläche ist die „grüne Lunge“ unseres Planeten, eine wichtige CO2-Senke und gleichzeitig ein Regenlieferant für die gesamte Region. Denn die dichte Vegetation verdunstet enorme Mengen Wasser, das dann als Niederschlag wieder abregnet. Auf diese Weise erzeugt der Amazonas-Regenwald die Hälfte des von ihm benötigten Regens selbst – er ist ein sich selbst erhaltendes System.

Doch nicht mehr lange: „Das Amazonas-System ist nah an einem Kipppunkt“, sagt Thomas Lovejoy von der George Mason University. Gemeinsam mit Kollegen hat er 2018 untersucht, wann Klimawandel, Rodungen und Brände das Gleichgewicht des Amazonas-Regenwalds so weit destabilisieren, dass dieses Kippelement umspringt.

Entwaldung
Zerstörte Waldgebiete im brasilianischen Amazonasgebiet. © NASA/ Earth Observatory

Ihr erschreckendes Fazit: Schon eine Entwaldung von 20 bis 25 Prozent könnte die südlichen und zentralen Teile des Regenwalds innerhalb der nächsten Jahrzehnte unwiederbringlich zur Savanne werden lassen. Weil der Baumbestand nicht mehr ausreicht, um eigene Niederschläge zu erzeugen, trocknet der Regenwald aus. Nach Einschätzung der Forscher lässt sich ein Umkippen des Amazonas nur noch verhindern, wenn man sofort die Entwaldung stoppt und Gebiete aufforstet. Doch bislang schreitet die Entwaldung vor allem in Brasilien und Bolivien immer weiter voran.

Anzeige

Biosphäre: Kipppunkt ab 2060?

Aber nicht nur der Amazonas-Wald, auch die Biosphäre als Ganzes ist ein Kippelement im Klimasystem. Bisher reagiert die Vegetation noch positiv auf den steigenden CO2-Gehalt der Atmosphäre, weil Kohlendioxid ein limitierender Faktor für das Pflanzenwachstum ist. Sind genügend Nährstoffe und Wasser vorhanden, wachsen viele Pflanzen daher schneller und besser, wenn sie mehr CO2 bekommen. Tatsächlich schluckt die globale Vegetation heute rund 30 Prozent mehr CO2 als noch vor 200 Jahren, wie eine Studie kürzlich belegte.

Doch dies könnte sich bald ändern. Anfang 2019 ermittelten Forscher, dass die Erwärmung, zunehmende Dürren und eine sinkende Bodenfeuchte diesen positiven Effekt schon ab 2060 wieder umkehren könnten. „Die Biosphäre könnte dann einen Peak in der Fähigkeit zur CO2-Aufnahme erreichen“, erklärt Julia Green von der Columbia University. Dadurch sinkt die Pufferwirkung der Vegetation und es bleiben mehr Treibhausgas in der Atmosphäre. Das wiederum heizt den Klimawandel stärker an und beeinträchtigt die Pflanzenwelt noch mehr – eine klassische positive Rückkopplung.

„Wir reden hier nicht über etwas, das noch Jahrhunderte entfernt ist“, betont Green. „Wir reden hier über etwas, das in den nächsten 50 bis 100 Jahren passieren könnte.

  1. zurück
  2. |
  3. 1
  4. |
  5. 2
  6. |
  7. 3
  8. |
  9. 4
  10. |
  11. 5
  12. |
  13. 6
  14. |
  15. weiter
Teilen:
Anzeige

In den Schlagzeilen

Inhalt des Dossiers

Kippschalter im Klimasystem
Klimatische Kippelemente und ihre Folgen

Sensibles Gleichgewicht
Warum Kippelemente eine so große Wirkung haben

Stellglieder im System
Wo liegen die "Kippschalter"?

Verzögerter Effekt
"Langsame" Kippelemente und ihre Folgen

Wenn Puffer kollabieren
Amazonas-Regenwald, Ozean und Biosphäre

Fatale Kaskade
Wenn Kippelemente sich gegenseitig "umreißen"

Diaschauen zum Thema

News zum Thema

Klimawandel: Droht ein Domino-Effekt?
Positive Rückkopplungen könnten das Erdklima schon bei zwei Grad Erwärmung destabilisieren

Atlantischer Wirbelstrom als gekipptes Element
Süßwassereinstrom in den Nordatlantik könnte Strömungen des Atlantischen Subpolarwirbels verstärkt haben

Klimawandel: Kipppunkt für Tundrabrände überschritten?
Erwärmung der Arktis lässt Brandhäufigkeit in der Tundra dramatisch ansteigen

Drei neue Kippelemente im Erdsystem
Größte Staubquelle unseres Planeten, ozeanische Stoffkreisläufe und Methanhydrate als potenzielle Kippelemente

Dossiers zum Thema

Permafrost - Kalter Boden und seine globale Bedeutung