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Biologie

Unfreiwillige Babysitter

Wie Schmarotzer ihre Wirte zur Jungenaufzucht nutzen

Eine ebenfalls beliebte Strategie unter Neuroparasiten: den Wirt zur Aufzucht und Versorgung des Nachwuchses nutzen. Die Juwelwespe (Ampulex compressor) beispielsweise macht zu diesem Zweck ein Tier gefügig, das etwa doppelt so groß ist wie sie selbst. Wenn die Eiablage bevorsteht, schleicht sie sich an ahnungslose Schaben heran und attackiert diese.

Juwelwespe
Juwelwespen machen Schaben (rechts) zu ihren Sklaven. © Catania Lab

Fluchtreflex adé

Ein erster Stich in die Brust hindert das Opfer an der Flucht, der zweite geht gezielt ins Gehirn. Dort sorgt das mit dem Stachel injizierte Nervengift dafür, dass die Schabe ihrer natürlichen Flucht- und Kampfreflexe beraubt wird. Offenbar verhindert das Gift die Ausschüttung bestimmter chemischer Signale, ohne die das Insekt völlig passiv bleibt.

Derart gefügig gemacht, lässt sich die Schabe ohne Gegenwehr von ihrem viel kleineren Angreifer am Fühler abführen: in ein Loch, in dem der Tod lauert. Ampulex compressor legt in der selbstgebauten Höhle nämlich ein Ei auf ihrem neuen Leibeigenen ab. Schlüpft der Nachwuchs, frisst er die Schabe nach und nach bei lebendigem Leib auf.

Spinnen für fremde Larven

Parasitische Schlupfwespen wie die Art Reclinervellus nielseni treiben die Versklavung ihrer Wirte noch weiter auf die Spitze. Sie lähmen Radnetzspinnen nicht nur, um ein Ei auf deren Körper abzulegen. Sobald der Nachwuchs bereit zum Schlüpfen ist, injiziert dieser zudem eine psychoaktive Substanz, die die Spinne zu einem erstaunlichen Verhalten animiert: Anstatt ihres normalen Netzes spinnt sie nun ein Kokonnetz für die Larve – und wird zum Dank mit einer weiteren Giftdosis getötet und verspeist.

Der bizarre Netzbau ist dabei interessanterweise keine komplette Neuerfindung im Verhaltensrepertoire der Spinne. Wie Forscher herausgefunden haben, bauen die Tiere kurz vor ihrer Häutung tatsächlich eine dem Kokonnetz ganz ähnliche Konstruktion. Demnach scheint sich die Wespenlarve ein bereits existierendes Verhaltensprogramm der Spinne zunutze zu machen, welches sie gezielt aktivieren und manipulieren kann.

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Eine von Sacculina befallene Krabbe mit typischem sackartigem Auswuchs. © gemeinfrei

Kuckucksnachwuchs am Hintern

Auch der weibliche Sackkrebs gehört zu jenen Tieren, die die Arbeit der Jungenaufzucht anderen überlassen: Der Rankenfüßer Sacculina carcini wächst im Inneren von Strandkrabben heran und bildet an deren Hinterleib eine sackartige Ausstülpung mit Eiern aus. Dort, wo normalerweise die Krabbe selbst ihre Eier ablegt, wächst nach der Befruchtung durch ein Sackkrebs-Männchen der Rankenfüßer-Nachwuchs heran, um den sich die nichtsahnende Krabbe liebevoll kümmert.

Frappierend ist, was passiert, wenn der Parasit eine männliche Krabbe befällt: Der Hormonhaushalt des Wirts verändert sich und er wird zu einer weiblichen Krabbe umgepolt, die sich genauso gut wie ein echtes Weibchen für die Betreuung der fremden Brut eignet.

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In den Schlagzeilen

Inhalt des Dossiers

Fremdgesteuert
Wenn Parasiten die Kontrolle übernehmen

Parasiten als Marionettenspieler
Neuroparasiten entern Nervenbahnen und Gehirne ihrer Opfer

Nützliche Transportmittel
Wenn Ameisen auf Bäume klettern und Heuschrecken ins Wasser springen

Unfreiwillige Babysitter
Wie Schmarotzer ihre Wirte zur Jungenaufzucht nutzen

Auch der Mensch ist Opfer
Toxoplasmose-Erreger manipuliert Mäuse – und Menschen

Triebfedern der Evolution
Parasiten fördern kreative Anpassung

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