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Physik

Zweifel an Erzeugung von Majorana-Qubits

Physikalische Nebeneffekte könnten vermeintlichen Nachweis der exotischen Qubit-Kandidaten erklären

Majorana-Fermion
Das "Auge" am Ende dieses Nanodrahts aus Eisenatomen ist ein Majorana-Fermion. Ihre Existenz ist inzwischen nachgewiesen, nicht jedoch der Zustand dieser exotischen Teilchen, der sie zu nutzbaren Qubits machen würde. © Universität Basel, Departement Physik

Störeffekt statt Nachweis? Im Jahr 2022 meldeten Microsoft-Physiker erstmals die Erzeugung von Majorana-Qubits – Quantenbits aus den exotischen, erst 2014 nachgewiesenen Majorana-Fermionen. Doch nun weckt eine neue Studie Zweifel an diesem Nachweis. Denn sie belegt, dass die entscheidenden Messwerte auch durch andere physikalische Effekte verursacht werden können. Um die als besonders stabile Quanteneinheiten interessanten Majorana-Qubits zweifelsfrei nachzuweisen, sind daher weitere Experimente nötig, so die Forschenden.

Im Jahr 1937 postulierte der italienische Physiker Ettore Majorana die Existenz von zuvor als unmöglich geltenden Teilchen, die Teilchen und Antiteilchen zugleich sein sollen. 2001 präzisierte der Physiker Alexei Kitaev, unter welchen Bedingungen ein solches Majorana-Fermion auftreten könnte. Nötig ist demnach die Kombination eines Halbleiter-Nanodrahts mit einem Supraleiter. Dann kommt es zu Spin-Wechselwirkungen, durch die an beiden Enden des Drahts Quasiteilchen mit Majorana-Merkmalen entstehen.

Im Jahr 2014 gelang es Physikern, Majorana-Fermionen erstmals nachzuweisen. Das „unmögliche“ Teilchen war damit entdeckt. Die Majorana-Teilchen besitzen keine Ladung und keine nachweisbaren Unterschiede zwischen ihren Teilchen- und Antiteilchen-Versionen.

Signaturen von topologischen Majorana-Fermionen
2022 berichteten Physiker vom Microsoft-Quantenlabor über die Erzeugung von Majorana-Qubits. Diese Grafik zeigt die beiden Anomalien am Ende des Nanodrahts sowie eine dazwischen liegende supraleitende Zone.

Majorana-Teilchen als Quantenbits

Seither beschäftigen sich auch Entwickler von Quantencomputern intensiv mit den Majorana-Teilchen. Denn anders als gängige Qubits aus in Laserfallen gefangenen Ionen oder supraleitenden Quantenpunkten wären Majorana-Qubits extrem robust: Bringt man sie in eine sogenannte topologische Phase, werden sie weitgehend immun gegen Störeffekte und können dadurch die für Qubits benötigten kohärenten Quantenzustände lange stabil beibehalten. Durch Anlegen eines Magnetfelds lassen sich diese Qubits kontrollieren.

Im März 2022 meldeten Physiker von Microsoft, dass sie erstmals solche Majorana-Qubits produziert hätten. Als Nachweiskriterien für deren topologische Phase gelten zwei Merkmale: Das erste sind Anomalien der Leitfähigkeit, sogenannte Zero-Bias Peaks (ZBP), an beiden Enden des Nanodrahts. Das zweite Kriterium ist die sogenannte Bulk Reopening Signature (BRS) – eine zwischen den Drahtenden bestehende Zone, in der es zu einem Phasenübergang des Nanodrahts zum topologischen Supraleiter kommt.

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Nachweiskriterien im Test

Doch nun gibt es Zweifel an den Majorana-Qubits von Microsoft. Denn wie Richard Hess und seine Kollegen von der Universität Basel herausgefunden haben, können die vermeintlich eindeutigen Signaturen dieser topologischen Qubits auch von physikalischen Störeffekten stammen. „Wir haben die Experimente von Microsoft mathematisch modelliert und versucht herauszufinden, ob es für die Messergebnisse auch andere – im Jargon ‚triviale‘ – Erklärungen gibt“, erklärt Koautor Henry Legg.

Für das erste Kriterium, die Zero-Bias Peaks, ist bereits bekannt, dass sie auch durch solche trivialen Effekte entstehen können. Deshalb testeten die Baseler Physiker nun, ob auch die Bulk Reopening Signature durch andere Prozesse als die topologischen Phasen der Majoranas erzeugt werden kann.

Pseudo-Signatur im Nanodraht

Tatsächlich wurden die Physiker fündig: Sie entdeckten, dass es im Nanodraht zu energetischen Überlagerungen kommen kann, durch die ein sogenannte Andreev-Band entsteht. Dieses erzeugt in Leitfähigkeitsmessungen eine Signatur, die der für Majorana-Qubits nötigen BRS sehr ähnlich sieht. Diese Pseudo-Signatur im Nanodraht entsteht zudem unabhängig von den an den beiden Enden auftretenden Zero-Bias Peaks, wie das Team erklärt.

„Zusammen ahmen diese trivialen Effekte die entscheidenden Transportsignaturen des topologischen Protokolls nach“, so Hess und seine Kollegen: Ein Störeffekt erzeugt falsche Zero-Bias Peaks, an den Drahtenden, während das Andreev-Band eine vermeintliche Bulk Reopening Signature verursacht. Dieser trivialen Effekt kommen den Berechnungen der Physiker vor allem dann zum Tragen, wenn der Nanodraht Verunreinigungen in Form von Fremdatomen aufweist.

Nachweis von Majorana-Qubits – noch – nicht stichhaltig

Nach Ansicht von Hess und seinem Team ist der Nachweis der Majorana-Qubits im Microsoft-Quantenlabor demnach nicht stichhaltig – es ist nicht ausgeschlossen, dass die nötigen Signaturen durch triviale Effekte statt durch Majorana-Fermionen erzeugt wurden. „Der Weg, den Microsoft mit seinen Experimenten geht, ist sicher der richtige“, sagt Hess. „Doch unsere Berechnungen legen nahe, dass die Messdaten auch mit anderen Effekten erklärt werden können, die mit Majorana-Teilchen direkt nichts zu tun haben.“

Es wäre nicht das erste Mal, dass sich ein vermeintlicher Nachweis von Majorana-Fermionen in einem solchen topologischen Zero-Mode als falsch herausstellt. Schon 2018 musste ein „Nature“-Fachartikel wegen fehlerhafter Daten zurückgezogen werden. Um die gesuchten Majorana-Zustände zweifelsfrei nachzuweisen und sie dann auch in Quantencomputern einzusetzen, brauche man noch reinere Nanodrähte, wie die Physiker erklären. An experimentellen Herausforderungen für die nächsten Jahre mangelt es also nicht. (Physical Review Letters, 2023; doi: 10.1103/PhysRevLett.130.207001)

Quelle: Universität Basel

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