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Technik

Unterwasserkamera ohne Batterie oder Kabel

Superspar-Minikamera nutzt akustische Energie ihrer Umgebung zum Aufnehmen und Senden

Kamera
Diese kleine Unterwasserkamera funktioniert ohne Batterien oder externe Stromversorgung © Adam Glanzman/ MIT

Energie aus dem Wasser: US-Forscher haben eine Minikamera für Unterwasseraufnahmen konstruiert, die autark und ohne Batteriewechsel im Ozean arbeiten kann. Möglich wird dies, weil das Gerät seine Energie über Piezoelemente bezieht, die Wasserschwingungen in Strom umwandeln – und weil sie erheblich sparsamer arbeitet als gängige Kameras. So übermittelt sie ihre Daten passiv durch Rückstreuung eines auf sie gerichteten Schallsignals.

Obwohl sie einen Großteil unseres Planeten bedecken, sind die Ozeane erst zu einem Bruchteil kartiert und erforscht. Selbst großangelegte „Volkszählungen“ wie der Census of Marine Life haben daran nur wenig geändert. Einer der Gründe dafür ist die Schwierigkeit, Sensoren und Kameras in großer Zahl und ohne externe Energieversorgung im Meer zu stationieren. Bisher laufen solche Geräte entweder über Batterien und haben dann nur eine begrenzte Laufzeit oder sie werden über Kabel von Schiffen aus versorgt und liefern dadurch nur kurzzeitige Eindrücke aus einem Meeresgebiet.

Aufbau
Aufbau der Unterwasserkamera. © Afzal et al./ Nature Communications, CC-by 4.0

Schwingungen als Stromquelle

Doch jetzt haben Sayed Saad Afzal und seine Kollegen vom Massachusetts Institute of Technology (MIT) eine Unterwasserkamera entwickelt, die komplett unabhängig von Batterien oder Stromkabeln arbeiten kann. Möglich wird dies durch eine Kombination von zwei Technologien. Die erste ist die Stromgewinnung durch piezoelektrische Elemente, die mechanische Schwingungen in Strom umwandeln können. Dies erfolgt durch von den Vibrationen erzeugte Verschiebung von Ladungen in dem Element.

Wenn nun ein Schallsignal – beispielsweise von einem Schiff, einem Meerestier oder einem Sonar – das Wasser zum Schwingen bringt und auf den piezoelektrischen Wandler trifft, erzeugt dieser elektrische Energie, die einen kleinen Superkondensator auflädt. Dieser Strom wird genutzt, um die Kamera anzutreiben. Diese muss jedoch besonders stromsparend ausgelegt sein – was gängige Farbkameras nicht sind.

Schwarzweiß-Sensor macht farbige Aufnahmen

„Wir mussten die Hardware so weit wie möglich minimieren und das erfordert einiges an Kreativität“, erklärt Seniorautor Fadel Adib vom MIT. Denn die besonders sparsamen digitalen Bildsensoren können nur Schwarzweiß-Aufnahmen erstellen, gewünscht waren aber Farbbilder. In der dunklen Unterwasserwelt muss die Kamera zudem ihre Zielobjekte anleuchten können, um überhaupt etwas sehen zu können – und auch das benötigt Strom.

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Um dieses Problem zu lösen, kombinierten die Forscher den Schwarzweiß-Bildsensor mit drei LEDS in Rot, Grün und Blau. Wird ein Objekt abgebildet, leuchten nacheinander die drei Farb-LEDs auf, während der Sensor jeweils ein Bild erstellt. Weil die Farbanteile in diesen Aufnahmen je nach Farbe des Objekts unterschiedlich stark absorbiert und reflektiert werden, unterscheiden sich die drei Schwarzweiß-Aufnahmen, Werden sie später mithilfe spezieller Software rekombiniert, lässt sich daraus wieder ein Farbbild erstellen – im Prinzip ähnlich wie das Farbbild eines LED-Fernsehers.

Datenübertragung mittels Rückstreuung

Und noch ein Problem galt es zu lösen: Die Übertragung der Daten von der Unterwasserkamera an die Meeresoberfläche. Hierfür setzten die MIT-Forscher eine Technologie ein, die auch schon für elektronische Werbeplakate und Handys ohne Batterie eingesetzt worden sind. Statt aktiv Radiowellen oder andere Signale zu produzieren, die die Daten transportieren, beruht die Datenübertragung bei der neuen Kamera auf der Rückstreu-Technik: Sie kodiert ihre Daten durch Absorption oder Reflexion eines auf sie gerichteten akustischen Signals – und damit passiv.

Dafür funkt der Empfänger – beispielsweise eine Boje an der Meeresoberfläche – die Unterwasserkamera an. Deren piezoelektrisches Modul wirft das Signal zurück und prägt ihm dabei die digitale Bildinformation in Form von Nullen und Einsen auf – indem es für eine Null den Schall absorbiert und ihn für eine Eins reflektiert. Über ein Unterwassermikrophon kann die Empfängerboje dieses zurückgeworfene Signal einfangen und dekodieren.

„Dieser ganze Prozess benötigt nur einen einzigen Schalter, um zwischen Absorption und Reflexion zu wechseln“, erklärt Afzal. „Dadurch braucht er nur ein Hunderttausendstel des Stroms, den typische Unterwasser-Kommunikationssysteme benötigen.“

Aufnahmen
Erste Aufnahmen des Kameraprototyps. © Afzal et al./ Nature Communications, CC-by 4.0s

Erste Tests erfolgreich

In ersten Praxistests haben die Wissenschaftler ihre neue Kamera unter anderen in einem Teich getestet, wo sie eine Bestandsaufnahme von Plastikmüll am Grund des Tümpels erstellte. In einem weiteren Test zeichnete die Kamera eine Woche lang das Wachstum der Wasserpflanze Aponogeton ulvaceus auf und erstellte hochauflösende Aufnahmen eines Seesterns. „In allen diesen Tests war die Prototyp-Kamera komplett unter Wasser, autonom und arbeitete ohne Kabel oder Batterie“, betont das Team.

Nach Ansicht von Afzal und seine Kollegen könnten solche autarken und vergleichsweise günstigen Unterwasserkameras zukünftig neue Möglichkeiten zur Erkundung der Meereswelt schaffen. Sie wären für die Untersuchung der Meeresverschmutzung oder die Beobachtung seltener Arten ebenso geeignet wie für die Überwachung von Fischen in der Aquakultur. Um ihre Kamera für solche Einsätze fit zu machen, arbeiten sie bereits daran, Speicherkapazität und Reichweite des Geräts zu erweitern – bisher liegt letztere nur bei 40 Metern. (Nature Communications, 2022; doi: 10.1038/s41467-022-33223-x)

Quelle: Massachusetts Institute of Technology

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