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EU: Mangel an Metallrohstoffen droht

Wie könnten künftige Versorgungsengpässe bei Metallrohstoffen vermieden werden?

ERze
Europa ist für viele Metallrohstoffe von Importen abhängig – vor allem bei den für Energiewende wichtigen Metallen. © Opla/ Getty images

Handeln tut not: Durch die Dekarbonisierung von Energie und Industrien in Europa könnte spätestens ab 2030 ein Nachschubmangel bei mehreren Metallrohstoffen drohen, warnen Wissenschaftler. Dies gelte vor allem für Lithium, Kobalt, Nickel, Kupfer und Seltenerdmetalle. Die EU müsse daher jetzt handeln, um heimische Vorkommen zu erschließen und vor allem das Recycling zu verstärken. Dieses könnte immerhin bis zu 55 Prozent des europäischen Bedarfs decken – allerdings erst ab 2050.

Ob Elektroautos, Windturbinen oder neue Industrieprozesse: Durch die Umstellung auf eine klimaneutrale Energieversorgung und Wirtschaft verändert sich auch der Rohstoff-Bedarf vieler Branchen. Vor allem für Metallrohstoffe wie Kobalt und Lithium für Batterien, Silizium für Solarzellen und Seltenerdmetalle steigt die Nachfrage weltweit. Schon länger warnen daher Wissenschaftler vor Engpässen bei einigen dieser Rohstoffe.

Energiewende
Elektrofahrzeuge, Windturbinen, Photovoltaik und Co treiben den Bedarf für einige Metalle stark in die Höhe. © KU Leuven

Wie es in Europa künftig mit der Metall-Versorgung aussieht, hat Liesbet Gregoir von der Katholischen Universität Leuven gemeinsam mit Kollegen von der Europäischen Assoziation der Metallproduzenten (Eurometaux) ermittelt. „Metalle spielen eine zentrale Rolle für einen erfolgreichen Umbau von Europas Wertschöpfungsketten und das Erreichen des Klimaschutzziels bis 2050“, erklärt das Team.

„Ein strategisches Problem“

Bisher ist Europa jedoch bei  großen Teilen seines Metallrohstoffbedarfs fast vollständig von Importen abhängig. So stammen fast alle Seltenerdmetalle und Batterierohstoffe aus China, ein erheblicher Teil des importierten Aluminiums, Nickels und Kupfers kommt aus Russland. Dass dies zum Problem werden kann, demonstrieren zurzeit Lieferengpässe durch die Corona-Pandemie und der Konflikt mit Russland wegen des Ukrainekriegs.

„Europas mangelnde Resilienz beim wachsenden Bedarf an Metallen ist zu einem strategischen Problem geworden“, konstatieren Gregoir und ihre Kollegen. Die EU müsse daher schnell handeln, um auch künftig eine Versorgungssicherheit mit Metallrohstoffen sicherzustellen. Was genau nötig und möglich ist, haben die Forschenden nun ermittelt. Daei bezogen sie Prognosen zum steigenden Bedarf der verschiedenen Metalle ebenso ein wie die europäischen Vorkommen und Abbaumöglichkeiten sowie die durch Recycling abdeckbaren Mengen.

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Wie hoch steigt der Bedarf?

Das Ergebnis: Um das europäische Ziel einer Klimaneutralität bis 2050 zu erreichen, wird der Bedarf an einigen Metallen in den nächsten Jahrzehnten drastisch steigen. Bei den Batterie-Rohstoffen Lithium und Kobalt beziffern die Forschenden den Mehrbedarf auf rund 330 und rund 3.500 Prozent. Bei Aluminium, Kupfer und Nickel liegen die prognostizierten Zuwächse bei zusätzlichen 30, 35 und 100 Prozent. Bei Silizium für die Photovoltaik wird der Bedarf um 45 Prozent ansteigen.

Ein erheblicher Mehrbedarf wird auch bei den Seltenerdmetallen Neodym, Dysprosium und Praseodym entstehen, die unter anderem für Permanentmagnete in Elektrofahrzeugen und Windturbinen benötigt werden. Bisher werden solche Magnete primär aus China importiert. „Aber wenn Europa nur einen Teil dieser Magnete künftig selbst produzieren will, wird dies den Bedarf an Seltenerdmetallen um 600 bis 2.700 Prozent gegenüber dem aktuellen Verbrauch erhöhen“, so die Wissenschaftler.

Für fünf Metalle prognostiziert die Studie deutliche Engpässe: Lithium, Kobalt, Nickel, Kupfer und Seltenerdmetalle. „Europa muss dringend entscheiden, wie es die drohende Versorgungslücke bei Primärmetallen überbrücken will“, betont Gregoir. Ohne eine entschiedene Strategie drohten Engpässe oder neue Abhängigkeiten von nicht nachhaltigen Zulieferern.

Ist heimischer Abbau die Lösung?

Doch welche Lösungen gibt es für das Nachschubproblem? Zumindest für einige Metalle könnte die Abhängigkeit von Importen durch heimischen Abbau zumindest verringert werden – sofern jetzt stark in die Erschließung europäischer Vorkommen investiert wird. Bei Nickel, Kupfer und Zink könnte die heimische Förderung bis 2030 rund 16 bis 33 Prozent des Bedarfs decken, geplante Ausbauprojekte könnten weitere neun bis 13 Prozent bringen.

Deutlich mehr Steigerungen wären theoretisch bei Lithium und einigen Seltenerdmetallen machbar: So verfügt beispielsweise Deutschland über größere, noch ungenutzte Vorkommen an lithiumhaltigen Erzen und Tiefenwässern. Erste Pilotprojekte am Rheingraben und Erzgebirge erkunden zurzeit die Förderung des Lithiums aus diesen Quellen.

Auch bei Seltenerdmetallen sehen Gregoir und ihre Kollegen Ausbaumöglichkeiten der europäischen Förderung: Bei Neodym und Praseodym beziffern sie das Potenzial geplanter Projekte auf rund 20 Prozent, bei Dysprosium sogar auf bis zu 80 Prozent. „Europa hat eine große, wenn auch unsichere Projekt-Pipeline im Abbau von Lithium und Seltenen Erden“, schreiben sie. Dies könnte 55 respektive 80 Prozent des für 2030 prognostizierten EU-Bedarfs decken.

Auch bei der Verarbeitung klemmt es

Allerdings wird dies nicht reichen, um die ganze Versorgungslücke bei diesen und anderen Metallrohstoffen zu schließen – und die Zeit für die Umsetzung der geplanten Projekte drängt: „Das Zeitfenster wird kleiner, die Projekte müssen in den nächsten zwei Jahren anlaufen, wenn sie bis 2030 etwas bringen sollen“, sagen die Wissenschaftler. Hier sei auch mehr Unterstützung von Staaten und Kommunen gefragt.

Hinzu kommt: Um die Metallressourcen nutzbar zu machen, müssen die Roherze unter hohem Energieaufwand raffiniert werden. „Die hohen Energiepreise in Europa haben Anfang 2022 bereits zur temporären Schließung von zehn Prozent der Aluminium- und 40 Prozent der Zinkverarbeitung geführt“, berichtet das Team. Auch die Siliziumherstellung sei bereits beeinträchtigt.

Kurzfristig sehen die Forschenden daher keine Alternative zu Importen. Umso entscheidender sei es nun, sich für Schlüsselmetalle diversifizierte und nachhaltige Lieferanten zu sichern. „Wenn die europäischen Industrien sich keine Lieferquellen sichern, drohen Unterbrechungen der Lieferketten und Kostensteigerungen, die die Energiewende verlangsamen könnten“, so das Team.

Recycling-Anteil
Vor allem bei Lithium und Kobalt könnte Recycling ab 2050 einen Großteil der Versorgungslücke schließen. © KU Leuven/ Studie „Metals für Clean Energy“

Recycling kann ab 2050 bis zu 75 Prozent der Nachfrage decken

Mittelfristig gibt es dagegen durchaus eine Alternative: Bis 2050 könnten 40 bis 75 Prozent des EU-Bedarfs an Hightech-Metallen durch Recycling gedeckt werden, wie Gregoir und ihr Team ermittelt haben. Demzufolge liegt das Potenzial des Recyclings bei Aluminium, Kupfer und Zink bei 45 bis 65 Prozent der Nachfrage, bei den Batterierohstoffen Lithium und Kobalt sogar bei 67 bis 77 Prozent. Für die drei Seltenerdmetalle könnte das innereuropäische Angebot durch Magnetrecycling ab 2050 sogar die Nachfrage übersteigen.

„Recycling ist Europas beste Chance, seine langfristige Versorgungsunabhängigkeit zu stärken“, betonen Gregoir und ihre Kollegen. Allerdings: Damit dies funktioniert, müsse Europa schon jetzt stark in die Entwicklung der Recyclingsysteme und Technologien investieren. Messbar zum Tragen kommt die Rohstoffrückgewinnung zudem erst um 2040. (Studie: „Metals für Clean Energy – Pathways to solve Europe’s Raw Materials Challenge“)

Quelle: KU Leuven / Eurometaux

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