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Physik

Germanium wird zum Supraleiter

Supraleitende Chips sind keine reine Zukunftsmusik mehr

Implantation von Germanium-Wafern mit Gallium-Ionen (symbolisch blau), gefolgt von der Ausheilung von Gitterdefekten durch kurze intensive Lichtblitze und schließlich Beobachtung der Supraleitung bei tiefen Temperaturen. © FZD / Sander Münster

Die meisten chemischen Elemente werden supraleitend, wenn man sie stark abkühlt oder hohem Druck aussetzt. Doch einige Elemente wie Kupfer, Silber und Gold ebenso wie Germanium verweigerten sich bisher dem Zustand der Supraleitung. Jetzt aber ist es Wissenschaftlern gelungen, den supraleitenden Halbleiter Germanium zu erzeugen. Sie entschlüsselten zudem einige der Rätsel, die die Supraleitung bei Halbleitern immer noch umgeben. Die Ergebnisse erschienen jetzt in der Fachzeitschrift „Physical Review Letters“.

Supraleiter sind Stoffe, die elektrischen Strom verlustfrei leiten können, also ihren elektrischen Widerstand verlieren, wenn sie stark abgekühlt werden. Reine Halbleiter wie Germanium oder Silizium leiten bei tiefen Temperaturen kaum Strom, sie werden erst durch die Verunreinigung mit fremden Atomen gut leitend. Das Einschleusen der fremden Atome geschieht in der Chipindustrie ebenso wie in der Forschung beispielsweise mit Hilfe der Ionen-Implantation, wodurch fremde Ionen in das Kristallgitter des Halbleiters eingebracht werden.

Um jedoch einen supraleitenden Halbleiter zu erzeugen, muss man ihn mit extrem vielen Fremdatomen dotieren, weit mehr, als der Stoff gewöhnlich aufnehmen würde. Wissenschaftler des Forschungszentrums Dresden-Rossendorf konnten in ihren Experimenten nun schlüssig nachweisen, dass tatsächlich die dotierte, nur sechzig Nanometer dünne Halbleiter-Schicht supraleitend wird und nicht etwa die Cluster aus den Fremdatomen, die sich bei der extremen Dotierung leicht bilden könnten.

Blitze beseitigen Gitterschäden

Durch die Ionen-Implantation wird das Kristallgitter des Germaniums stark gestört, so dass es anschließend wieder repariert werden muss. Hierfür steht im Forschungszentrum Dresden-Rossendorf eine spezielle Anlage zur Ausheilung der Schäden zur Verfügung. Die dort entwickelte Blitzlampen-Anlage erhitzt mit kurzen Lichtblitzen von drei Millisekunden nur die Oberfläche des behandelten Germaniums, was die Schäden im Kristallgitter beseitigt, ohne jedoch die Verteilung der Fremdatome wesentlich zu verändern.

Wissenschaftlich betrachtet ist das neue Material äußerst spannend. So zeigt es ein überraschend hohes kritisches Magnetfeld im Vergleich zur Temperatur, in der die Supraleitung einsetzt. Der Effekt der Supraleitung tritt bei vielen Materialien nur bei sehr tiefen Temperaturen kurz über dem absoluten Nullpunkt auf. Das mit Gallium dotierte Germanium etwa wird bei rund 0,5 Kelvin supraleitend, allerdings lässt sich durch die Veränderung verschiedener Parameter während der Ionen-Implantation und Ausheilung die Übergangstemperatur noch erhöhen.

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Physiker träumten schon lange von supraleitenden Halbleiter-Materialien. Dabei gaben sie dem Halbleiter Germanium nur geringe Chancen, überhaupt supraleitfähig zu werden. Germanium ist das Halbleitermaterial der ersten Transistor-Generation, bevor es vom Silizium abgelöst wurde. Neuerdings wächst das Interesse an diesem „alten“ Halbleiter wieder stark an, da mit ihm viel schnellere Schaltkreise gebaut werden können als mit Silizium.

Wiedergeburt für das Germanium?

Experten rechnen derzeit sogar mit einer Renaissance des Germaniums, da die Miniaturisierung in der Mikroelektronik-Industrie bei Silizium an ihre Grenzen stößt. Das liegt u. a. daran, dass man heute sehr dünne Oxidschichten auf den Chips benötigt, die man besonders fein strukturieren möchte – das funktioniert bei Siliziumoxid nicht mehr. Germanium als wiederentdecktes Grundmaterial für Chips hätte den großen Vorteil, dass es schnellere Prozesse erlauben und zugleich zu einer weiteren Miniaturisierung in der Mikro- und Nano-Elektronik führen würde. Mit supraleitendem Germanium könnten dann in Zukunft vielleicht Schaltkreise für neuartige Computer realisiert werden.

Im Forschungszentrum Dresden-Rossendorf wurde ganz gezielt nach einem supraleitenden Halbleiter gesucht. Statt mit Bor zu dotieren, was vor gut zwei Jahren in Frankreich zum supraleitenden Silizium führte, wählten die Forscher Gallium wegen der besseren Löslichkeit im Germanium aus. Auch bei den Untersuchungen gingen die Wissenschaftler gezielt vor.

Ihre vielen Experimente belegen, dass der Halbleiter Germanium reproduzierbar supraleitend wird und dass auch die Sprungtemperatur, bei der die Supraleitfähigkeit einsetzt, in gewissen Grenzen erhöht werden kann. Die gebündelte Expertise im Ionenstrahlzentrum sowie im Hochfeld-Magnetlabor Dresden des FZD erlaubt ein „Fine-Tuning“ der Parameter für weitere Experimente (z.B. Energie und Winkel beim Ionen-Beschuss oder Temperatur und Dauer des Blitzlampen-Ausheilens) und so will man die Untersuchungen fortführen, um noch weitere Rätsel der supraleitenden Halbleiter zu entdecken.

(Forschungszentrum Dresden – Rossendorf e.V., 29.05.2009 – NPO)

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