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Chemie

Der unmögliche Fünffach-Kristall

Scheinbar „unmögliche“ Symmetrie bei Kristallisation beobachtet

Beispiele aus Chemie und Natur. Nicht nur bei den "Buckybowl"-Molekülen zu finden - auch der Querschnitt einer Okraschote offenbart Fünffach-Symmetrie. © Empa

Moleküle mit einer Fünffach-Symmetrie gelten in der Kristallographie als unmöglich, denn sie erlauben keine lückenlosen Anordnungen. Trotzdem gibt es solche Moleküle und auch Krstialle aus ihnen. Aber wie schaffen sie das? Einen Ansatz zum besseren Verständnis dieses „unmöglichen“ Verhaltens lieferten jetzt Schweizer Wissenschaftler, indem sie die komplizierten Prozesse dieser Kristallisation mit Rastertunnelmikroskopen verfolgt haben.

Fünfzählige Symmetrie gilt in der Kristallographie als „unmöglich“ – aus dem gleichen Grund, weshalb es keine fünfeckigen Kacheln gibt: Mit gleichseitigen fünfeckigen Kacheln lässt sich ein Boden nämlich nicht lückenlos fliesen. Es sei denn, weitere geometrische Formen werden dazu genommen und zu einer Ebene kombiniert. Dieses Prinzip wandten bereits Moscheen-Baumeister im 15. Jahrhundert an. „Wiederentdeckt“ wurden die komplexen Ornamentstrukturen von Mathematikern des 20. Jahrhunderts. Roger Penrose präsentierte das nach ihm benannte Penrose-Parkett – ein Muster, das nach einfachen Regeln aus nur zwei geometrischen Formen besteht und periodisch ist.

Vor einem ähnlichen Problem stehen Chemiker. Moleküle mit fünffacher Symmetrie können eine Ebene ohne Zwischenräume nicht vollständig abdecken. Trotzdem sind sie wie andere Moleküle auch bestrebt, im Kristall oder auf einer Oberfläche eine möglichst dichte Anordnung zu erreichen. Doch wie schaffen sie das?

Corannulene – schalenförmige Fragmente von „Buckyballs“

Diese Frage untersuchten Forscher der Eidgenössischen Materialprüfungs- und Forschungsanstalt Empa und der Universität Zürich an so genannten Corannulen-Molekülen. Diese Moleküle mit fünfzähliger Symmetrie besitzen eine gewölbte Form – wie eine Schüssel – und gelten als Fragment von Buckminster-Fulleren, dem so genannten Buckyball. Sie werden deshalb auch als „Buckybowls“ bezeichnet. Die Kohlenstoffatome der Corannulen-Moleküle sind in fünf Hexagonen um einen zentralen Fünferring angeordnet. Von Corannulen und seinen Derivaten erhofft man sich eine wichtige Rolle für die Weiterentwicklung neuer Materialsysteme, insbesondere für die Photovoltaik und Elektronik.

Beispiel einer Anordnung von Corannulen-Pentamethyl-Derivaten: Die schwarzen Atome zeigen das regelmässige sechfach symmetrische Gitter, zu dem sich die fünffachsymmetrischen Moleküle "zusammenraufen". © Empa

Um zu beobachten, wie Moleküle mit fünfzähliger Symmetrie sich auf metallenen Oberflächen zu zwei-dimensionalen Kristallen anordnen, nutzten die Empa-Forscher das Rastertunnelmikroskop. Sie erwarteten, dass sie entweder eine unregelmässige Struktur beobachten würden oder aber, dass die Moleküle eine perfekte Anordnung, dann aber mit einer von der Zahl fünf abweichender Kristallgittersymmetrie, bildeten. In der Tat „mogelten“ die Moleküle, um eine möglichst dichte Packungsform auf der Oberfläche zu erreichen und „kippten“ von der Fünffach- Symmetrie weg.

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Fast regelmäßige Kristallgitter

Daher verwendeten die Wissenschaftler in einem weiteren Experiment Moleküle mit sperrigen Seitengruppen, die ein Umkippen verhinderten und die Einhaltung der Fünffach-Symmetrie erzwangen. Trotzdem bildeten diese Moleküle eine enge Packung. In ihren zweidimensionalen Kristallen sind die Moleküle auf einem sechseckigen Gitter angeordnet, sie bilden eine sechszählige Symmetrie. Doch im Gegensatz zu Molekülen mit Sechsfach-Symmetrie unterscheiden sich die einzelnen Corannulen-Moleküle in ihrer gegenseitigen Anordnung.

Dieses Resultat, das die Forscher vor kurzem in der Fachzeitschrift „Journal of the Amercian Chemical Society“ veröffentlichten, wurde sowohl von mathematischen Simulationen, als auch aufgrund einfacher mechanischer Modellierungen mit fünfeckigen Styropor- und Aluminiumscheiben auf Luftkissen oder Schütteltischen vorhergesagt.

Der Prozess, wie die Symmetrie reduziert wird, wie die Moleküle zu einer regelmässigen Packung gelangen, dabei aber von der fünfzähligen Symmetrie abweichen, gibt Einblick in grundlegende Prozesse der Kristallbildung. Mit Hilfe der Rastertunnelmikroskopie können diese komplizierten Prozesse auf molekularer Ebene verfolgt werden und geben so einen wertvollen Einblick in die verschiedenen Aspekte, wie Moleküle sich auf Oberflächen niederlassen und so beispielsweise Werkstoffsystemen neue Eigenschaften vermitteln können.

(Empa – Eidgenössische Materialprüfungs- und Forschungsanstalt, 28.05.2009 – NPO)

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