Die Spieltheorie – ein Teilgebiet der Mathematik, das dabei helfen kann, Strategien und Gewinnchancen in komplexen Regelszenarien zu berechnen – könnte erklären, wie Krebszellen im Wettbewerb mit gesundem Gewebe die Oberhand gewinnen. Das berichten jetzt Forscher in der aktuellen Ausgabe der Fachzeitschrift „Cell Proliferation“.
{1r}
Die Wissenschaftler um Professor Andreas Deutsch, David Basanta und Haralambos Hatzikirou von der Technischen Universität (TU) Dresden und der Bonner Neurochirurg Dr. Matthias Simon untersuchten in ihrer Studie, wie sich Tumorzellen im Überlebenskampf mit anderen Zellen verhalten, und schlagen vor, gezielt Therapien zu entwickeln, die die neuen Erkenntnisse zur Krebsbekämpfung nutzen.
Zelluläre Interaktionen als Überlebensspiel
Die Fitness einer Zelle – so der evolutionsbiologisch motivierte Ansatz – hängt von ihren Interaktionen mit Nachbarzellen ab. Mit einem geeigneten mathematischen Ansatz sollte es den Forschern also gelingen, zelluläre Interaktionen als eine Art Überlebensspiel zu simulieren, ganz ähnlich dem berühmten „Spiel des Lebens“ des Mathematikers John Horton Conway aus dem Jahr 1970.
„Soweit wir wissen, ist es das erste Mal, dass sich Forscher den komplexen Wechselwirkungen und Invasionsstrategien von verschiedenen Tumor-Phänotypen mit den Mitteln der Spieltheorie widmen“, bestätigte Basanta, der mittlerweile an einem Krebsforschungszentrum in Tampa, Florida, arbeitet.
Erkenntnisse der Spieltheorie auf die Tumorentwicklung übertragbar?
Seit 1997, als britische Genetiker im „European Journal of Cancer“ zum ersten Mal dem Wachstum von Tumorzellen mit der Spieltheorie zu Leibe rückten, versuchen Forscher, Erkenntnisse der Pioniere der Spieltheorie, John von Neumann und Oskar Morgenstern, auf die Tumorentwicklung – Karzinogenese – anzuwenden.
Die Wissenschaftler begannen nun ihre neue Studie unter der Annahme, dass sich verschiedene Tumorzell-Typen unterscheiden lassen. Eine spontane Mutation kann zum Beispiel dazu führen, dass eine Tumorzelle Energie nicht aus Verbrennungs-, sondern Vergärungsprozessen (Glykolyse) gewinnt. Das ist der so genannte „Warburg-Effekt“.
Das Forscherteam untersuchte nun neun verschiedene spieltheoretische Szenarien. „Unsere Resultate legen nahe, dass Therapien, die den Zellen den Wechsel zum Vergärungs-Stoffwechsel erschweren – wie zum Beispiel die erhöhte Zufuhr von Sauerstoff – damit auch die Invasion von Krebszellen erschweren würden“, erklärt Basanta.
Räumliche Zusammenhänge im Zellverband vernachlässigt
Die Forscher müssen bei der Interpretation ihrer Ergebnisse jedoch Einschränkungen machen: „In unseren bisherigen Berechnungen wurden räumliche Zusammenhänge im Zellverband vernachlässigt“, gibt Deutsch zu bedenken. Deswegen wollen die Dresdner Forscher nun größere Zellverbände in dreidimensionalen räumlichen Strukturen betrachten und auch auf die Einzelbeweglichkeit von Zellen genauer eingehen.
Eine Hilfe sind der Gruppe dabei die Großrechner des universitären Zentrums für Informationsdienste und Hochleistungsrechnen (ZIH), die die komplexen Simulationen erst ermöglichen.
(idw – Technische Universität Dresden, 19.05.2009 – DLO)