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Technik

Unter Hochdruck: Wasser-Dampf-Strömungen vor der Kamera

Versuchskammer macht extreme Strömungen sichtbar

Dampf-Wasser-Strömung bei 5 Megapascal (50-facher Normaldruck) und 264° C, aufgnommen an der TOPFLOW-Anlage des FZD © FZD

Wie Wasser und Dampf bei 50-fachem Normaldruck und einer Temperatur von 264 Grad durch eine Leitung strömen, hatte bisher noch niemand direkt beobachten können. Doch jetzt haben Forscher eine spezielle Versuchskammer entwickelt, die solche extremen Strömungen sichtbar macht. Wichtig ist dies beispielsweise, um das Verhalten des Kühlwassers bei einem Leck in einem Atomkraftwerk zu beurteilen.

Flüssigkeits-Gas-Strömungen haben zahlreiche Anwendungen in der Chemie-, Öl- und Energiewirtschaft. In kerntechnischen Anlagen ist die Kenntnis der Strömungsvorgänge besonders wichtig, um die Sicherheit der Anlagen bewerten zu können. So fließt zum Beispiel in einem Druckwasser-Reaktor im ersten Kreislauf normalerweise nur Wasser unter hohem Druck und bei Temperaturen um 300° C.

Die im Reaktor in Form von Wärme freiwerdende Energie wird durch das Wasser aufgenommen und in einem Dampferzeuger an einen zweiten Kreislauf abgegeben, der die Turbinen mit Dampf versorgt. Käme es im ersten Kreislauf zu einem Leck, würde in diesem infolge des damit verbundenen Druckabfalls Dampf entstehen. Zahlreiche aktive und passive Maßnahmen sind vorgesehen, um in einem solchen Störfall das sichere Abschalten und Kühlen des Reaktorkerns zu gewährleisten.

Experiment bei 70fachem Luftdruck

Eine der Aufgaben des Instituts für Sicherheitsforschung im Forschungszentrum Dresden-Rossendorf (FZD) ist es, Strömungsphänomene für Wasser-Dampf-Strömungen in Teilen des nuklearen Kühlkreislaufs experimentell zu untersuchen und zu modellieren. Da solche Experimente aus Kostengründen nicht im Maßstab 1:1 durchgeführt werden können, sollen ausgefeilte Computersimulationen der Strömungsvorgänge helfen, die experimentellen Ergebnisse von skalierten Versuchsanlagen auf den realen Maßstab zu übertragen.

Für solche Experimente steht im FZD die TOPFLOW-Anlage zur Verfügung. TOPFLOW ist das Kürzel für „Transient twO-Phase FLOW“ (transiente Zweiphasen-Strömung) und ist eine der großen Versuchsanlagen im Forschungszentrum. Die Anlage dient der experimentellen Untersuchung von Dampf-Wasser- und Luft-Wasser-Strömungen. Ein elektrischer Dampferzeuger mit einer Leistung von 4 Megawatt erlaubt die Erzeugung von bis zu 1,5 Kilogramm Dampf pro Sekunde bei 7 Megapascal, d.h. dem 70-fachen des normalen Luftdrucks.

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Druckkammer bisher blickdicht

Bisher war es unmöglich, Strömungen von Wasser und Dampf bei hohem Druck und hohen Temperaturen großflächig sichtbar zu machen, denn Anlagenkomponenten, die solchen Drücken standhalten müssen, sind üblicherweise aus massivem Stahl, sind also für Kameras undurchdringbar. Eine am FZD entwickelte Versuchstechnik erlaubt es, Experimente zu unterstellten Störfällen in Kernreaktoren in einer Druckkammer zu betreiben. In dieser Kammer stehen die eigentliche Versuchsstrecke und die Behälter-Atmosphäre im Druckausgleich, so dass die Konstruktionskomponenten des Versuchsaufbaus keinen hohen Druckdifferenzen ausgesetzt sind.

Direkte Beobachtung jetzt möglich

Damit können die Wände der Komponenten mit großen Beobachtungsfenstern versehen werden, was den Einsatz von Hochgeschwindigkeits-Videokameras erlaubt. Die so gewonnenen Daten sind wegen ihrer hohen Orts- und Zeitauflösung einmalig und sind mittlerweile auch international begehrt. Videobeobachtungen sind besonders wertvoll, weil sie Daten in hoher Zeit- und Ortsauflösung liefern. Deshalb werden sie schon lange zum Beispiel bei der Untersuchung von Luft-Wasser-Strömungen in Plexiglas-Kanälen bei Umgebungsdruck eingesetzt. Mithilfe der neuen Druckkammer können nun auch Wasser-Dampf-Strömungen unter hohem Druck gefilmt werden

Daten für Sicherheitsanalysen

Weltweit erstmalig wurden so im FZD komplexe Dampf-Wasser-Strömungen bei einem Druck bis zu 5 Megapascal großflächig (ca. ein auf ein Meter) mit einer Hochgeschwindigkeits-Videokamera beobachtet. Die Geometrie ist dabei an den so genannten Heißstrang eines deutschen Druckwasser-Reaktors angelehnt. So bezeichnet man jene große Rohrleitung, in der das heiße Kühlwasser vom Reaktor zum Dampferzeuger fließt. Dampf und Wasser strömen in dieser Leitung bei einem Störfall in entgegen gesetzten Richtungen und behindern sich gegenseitig. Der Dampfstrom begrenzt den maximal möglichen Wasserstrom, der in den Reaktorkern zurückfließt und zur Kühlung des Kerns beiträgt. Die genaue Kenntnis über diese Begrenzung des Wasserstroms ist für Sicherheitsanalysen entscheidend.

Die Daten bilden eine wichtige Grundlage für die Weiterentwicklung von SImulationsprogrammen und können damit am Ende für die Auslegung, Optimierung und Sicherheitsanalyse von Kernkraftwerken und anderen technischen Anlagen genutzt werden. Erst wenn die Computerprogramme die komplizierten Dampf-Wasser-Strömungen richtig berechnen können, wird man auf derart aufwendige Experimente verzichten können.

(Forschungszentrum Dresden Rossendorf, 08.05.2009 – NPO)

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