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Chemie

Die wahrscheinlich kürzeste Kohlenstoff-Chlor-Einfachbindung der Welt…

Auch weiter entfernte „Nachbarn“ beeinflussen Eigenschaften einer Atombindung

Chlor © gemeinfrei

Die Enge oder Weite einer Bindung zwischen Atomen ist unter anderem auch für die Eigenschaften der Verbindung entscheidend. Jetzt haben Forscher die bisher kürzeste bekannte Kohlenstoff-Chlor-Einfachbindung entdeckt. Wie sie in „Nature Chemistry“ berichten, sind beide Atome im so genannten Chlortrinitromethan Molekül lediglich 1,69 Angström voneinander entfernt.

Chemische Bindungsmodelle, die die Eigenschaften von Atomverbindungen beschreiben, existieren bereits seit über hundert Jahren. Diese Modelle untersuchen unter anderem die elektrostatischen Wechselwirkungen zwischen Atomen, also deren wechselseitige Anziehung oder Abstoßung. Allerdings werden hier meist nur die direkt an der Bindung beteiligten Atome betrachtet, während der Einfluss weiter entfernter Atome unberücksichtigt bleibt.

Nun haben Chemiker um Professor Thomas M. Klapötke von der Ludwig-Maximilians-Universität (LMU) München nicht nur die kürzeste Kohlenstoff-Chlor-Einfachbindung entdeckt, sie konnten auch erstmals nachweisen, dass die zweiten und dritten Nachbarn ebenfalls einen entscheidenden Einfluss auf die Eigenschaften einer Atombindung haben können.

Röntgenstrukturanalyse an Pseudohalogenen

Die Forscher wählten für ihre Untersuchung das sogenannte Chlorotrinitromethan-Molekül aus, eine Verbindung bestehend aus dem Halogen Chlor und dem Pseudohalogen Trinitromethyl. Letzteres setzt sich aus einem Kohlenstoffatom und drei Nitrogruppen zusammen. Die Trinitromethyl-Einheit zählt zur Gruppe der Pseudohalogene, die ähnliche Eigenschaften wie Halogene besitzen: Beide Gruppen setzen sich aus Nichtmetallen zusammen, die meist in gasförmiger oder flüssiger Form vorliegen und zusammen mit Metallen Salze ausbilden. Anders als die Halogene sind die Pseudohalogene jedoch keine echten chemischen Elemente, sondern chemische Verbindungen aus verschiedenen Elementen.

Mithilfe der so genannten Röntgenstrukturanalyse gelang es den Forschern erstmals, die innere Struktur des Chlorotrinitromethan-Moleküls zu rekonstruieren und Rückschlüsse über die Abstände zwischen den einzelnen Atomen zu ziehen. Bei ihren Analysen stießen die Chemiker auf eine besonders interessante Eigenschaft des Chlorotrinitromethan-Moleküls: Der Abstand zwischen seinem Chlor- und Kohlenstoffatom beträgt lediglich 1,69 Angström. Ein Angström ist der zehnmillionste Teil eines Millimeters. Die nun nachgewiesene Distanz zwischen den Atomen ist der kürzeste je beobachtete Abstand für vergleichbare Chlor-Kohlenstoff-Einfachbindungen. Alle bisher gemessenen Abstände liegen im Bereich zwischen circa 1,71 und 1,91 Angström.

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„Für diesen kurzen Abstand sind nicht-kovalente Wechselwirkungen mit entscheidend“, erklärt Göbel, aus dessen Doktorarbeit die neuen Ergebnisse hervorgegangen sind. „Ein besseres Verständnis dieser Wechselwirkungen ist hilfreich in allen Bereichen in denen molekulare Erkennung und Selbstaufbau eine Rolle spielen.“

Chloratom überraschend positiv

Durch theoretische Berechnungen konnten die Forscher in Kooperation mit Professor Peter Politzer und Dr. Jane S. Murray an der US-amerikanischen Universität von New Orleans zudem die Verteilung der elektrischen Ladungen innerhalb des Moleküls nachvollziehen. Dabei stellte sich heraus, dass das Chloratom ein gänzlich positives elektrostatisches Potential aufweist – ein seltener Fall, da Chlor ansonsten meist negativ polarisiert vorliegt. Zusammen mit der Ladungsverteilung der übrigen Atome erklärt dieser Befund jedoch, warum Chlor- und Kohlenstoffatom so eng miteinander verbunden sind.

Die Ergebnisse zeigen, dass elektrostatische Wechselwirkungen von benachbarten Atomen einen signifikanten Einfluss auf die Bindungslänge haben können, selbst wenn diese Atome nicht direkt an einem der beiden Atome gebunden sind, die die Bindung aufbauen. Im Fall von Chlorotrinitromethan ist dieser Effekt besonders ausgeprägt und führt zu einem ungewöhnlich kurzen Chlor-Kohlenstoff-Abstand, er könnte aber für vielfältige weitere Fälle von Bedeutung sein – insbesondere in Bereichen, wo Moleküle sich selbständig gegenseitig erkennen und zu größeren Strukturen zusammenfügen. Diese Mechanismen spielen zum Beispiel in biologischen Systemen und in der Nanotechnologie eine wichtige Rolle.

(Universität München, 05.05.2009 – NPO)

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