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Astronomie

Sterne speien rätselhaftes Röntgenlicht

Quelle für diffuse Röntgenstrahlung in der Milchstraße identifiziert

Optische Aufnahme der untersuchten Himmelsregion in der Nähe des Milchstraßenzentrums © Burenin et al.

Vor etwa 25 Jahren entdeckten Wissenschaftler eine diffuse Röntgenstrahlung in unserer Milchstraße. Eine ganze Generation von Astronomen hat sich seither den Kopf über den Ursprung dieser Strahlung zerbrochen. Jetzt ist es einem internationalen Forscherteam endlich gelungen, das Rätsel zu lösen.

Mikhail Revivntsev vom Exzellenzcluster Universe an der Technischen Universität (TU) München und seine Kollegen konnten erstmals nachweisen, dass ein Großteil der geheimnisvollen Strahlung nicht aus einer einzigen großen Quelle stammt, sondern aus vielen kleinen. Die Wissenschaftler gehen in der aktuellen Ausgabe von „Nature“ davon aus, dass Weiße Zwerge und Sterne mit aktiver Korona die Röntgenstrahlen aussenden.

Galactic Ridge X-ray Emission

Im Weltall geht die energiereiche Röntgenstrahlung für gewöhnlich von sehr heißen Gasen in einem Temperaturbereich zwischen zehn und 100 Millionen Grad Celsius aus. Vor einem Vierteljahrhundert spürten Astronomen die Strahlung in der Umgebung der Milchstraßenebene auf, ohne eine plausible Erklärung dafür zu finden. Eigentlich ist genannte „Galactic Ridge X-ray Emission“, kurz GRXE, typisch für ein stark aufgeheiztes, optisch dünnes Plasma.

Die Abbildung zeigt die Röntgenstrahlenemission der Milchstraße. Die Aufnahme entstand mit Hilfe des RXTE Observatorium. Der vergrößerte Ausschnitt zeigt die etwa 2,6 Bogenminuten große Region, die mit dem CHANDRA-Teleskop beobachtet wurde. © Mikhail Revnivtsev

Ein Gas mit diesen thermischen Eigenschaften würde allerdings sofort aus unserer Galaxie „wegfliegen“. In dem Fall würde unsere Milchstraße ständig eine ungeheure Menge Energie verlieren und schließlich in sich zusammenfallen: Denn die vorhandenen Energiequellen – Sterne und Supernovae – in unserer Galaxie reichen nicht aus, um den Verlust wieder wettzumachen.

In einem weiteren Ansatz versuchten die Astronomen die GRX-Emission mit dem Zusammenstoß kosmischer Teilchen und dem interstellaren Medium (ISM) zu erklären. Dies ließ sich aber nicht erhärten. In jüngerer Zeit zeigten Beobachtungen mit den Röntgen-Satelliten RXTE und Integral, dass die Röntgenemission der Milchstraße das gleiche Verteilungsmuster aufweist wie die Sterne. Seither vermuten Astronomen, dass ein großer Teil der GRXE von Einzelsternen produziert wird.

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Röntgenteleskop Chandra im Einsatz

Diese Voruntersuchungen regten Revnivtsev und seine Kollegen zu genaueren Untersuchungen mit dem Röntgenteleskop Chandra an. Als Testfeld wählten sie eine kleine Himmelsregion in der Nähe des Milchstraßenzentrums aus. „Das Areal ist etwa halb so groß wie der Mond und eignet sich sehr gut für unsere Messungen“, erklärt Revnivtsev. „Zum einen haben wir hier eine hohe GRXE-Intensität: Effekte extragalaktischer Röntgenemissionen lassen sich so minimieren. Zum anderen absorbiert das ISM an dieser Stelle nur geringe Strahlungsmengen, sodass man mit Chandra sogar schwache Einzelquellen nachweisen kann.“

Tatsächlich konnte Revnivtsevs Team einzelne GRXE-Quellen aufspüren. Dafür engten sie das Suchfeld auf einen Radius von circa 2,6 Bogenminuten ein – das entspricht etwa einem Sechstel des ursprünglichen Areals. In diesem Bereich arbeitet das Weltraumteleskop Chandra mit der größten Auflösung. Die Auswertung der Chandra-Aufnahme resultiert in 473 deutlich erkennbaren Punktquellen.

Das Bild zeigt die interstellare Absorption – die GRXE-Beobachtungsregion ist mit einem Quadrat gekennzeichnet. © Revnivtsev et al.

Ergebnisse auf die gesamte Galaxie übertragbar

Im nächsten Schritt konnte die Gruppe belegen, dass sich die Ergebnisse der untersuchten Region auf die gesamte Galaxie übertragen lassen. Dafür untersuchten die Astronomen das Testareal mit Hilfe eines zweiten Teleskops: Das Spitzer-Observatorium nimmt Himmelsobjekte im nah-infraroten (NIR-) Bereich auf und misst die Verteilung von Sternmassen in unserer Galaxie.

Die Astronomen setzten diese Messergebnisse in Relation zur GRXE-Helligkeit und verglichen den Wert mit dem bekannten GRXE/NIR-Verhältnis für die gesamte Galaxie. Die Werte des Testfeldes stimmten exakt mit dem Wert für die komplette Milchstraße überein. „Damit können wir die Untersuchungen eines kleinen Milchstraßen-Ausschnitts als repräsentativ für die gesamte Galaxie werten“, freut sich Revnivtsev.

Bei den meisten der 473 Röntgenquellen handelt es sich aller Wahrscheinlichkeit nach um Materie-sammelnde Weiße Zwerge und Sterne mit einer hohen Aktivität in ihrer äußersten Schicht, der Korona. Weiße Zwerge sind Überbleibsel erloschener massearmer Sterne wie der Sonne. Häufig bilden die kalten Reststerne mit einem Partner ein Doppelsternsystem. In dieser Konstellation entzieht der Weiße Zwerg seinem größeren Begleiter Materie, bis es zu einer Supernova vom Typ Ia kommt.

Fehlenden Energiequelle gefunden

Die Auflösung der diffusen GRXE-Wolke unserer Galaxie in einzelne Röntgenquellen hat weit reichende Konseqenzen für unser Verständnis einiger astrophysikalischer Phänomene. „Wir konnten nach 25 Jahren endlich das große Problem einer fehlenden Energiequelle in unserer Galaxie lösen“, fasst Revnivtsev die aktuellen Ergebnisse zusammen.

„Außerdem können wir die GRX-Emission als Eichwert für Variationen in Sternpopulationen der Milchstraße verwenden. Auch für die Forschungsarbeit an anderen Galaxien spielen unsere Resultate eine Rolle: Astronomen können davon ausgehen, dass eine ungerichtete Röntgenstrahlung dieser Objekte von Weißen Zwergen und aktiven Sternen stammt.“

(idw – Excellence Cluster “Universe”, 30.04.2009 – DLO)

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