Eine ehemals 15 Kilometer breite Eisbrücke des antarktischen Wilkins-Schelfeises, die die beiden Inseln Charcot und Latady verband und stabilisierend auf das Schelfeis wirkte, beginnt auseinander zu brechen. Der Steg war bereits nach dem letzten spektakulären Aufbruch-Ereignis im Sommer 2008 an seiner schmalsten Stelle auf 900 Meter Breite geschrumpft.
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Münsteraner und Bonner Forscher rechnen mit der vollständigen Zerstörung der Brücke und einem weiteren Eisverlust des Wilkins-Schelfeises in nächster Zeit.
Drei Aufbruchphasen im Jahr 2008
Angelika Humbert vom Institut für Geophysik der Universität Münster und ihr Kollege Matthias Braun von der Universität Bonn verfolgen die Entwicklung des Wilkins-Schelfeises anhand von Satellitenaufnahmen seit Jahren, darunter drei Aufbruchphasen im Jahr 2008. Das Forscherteam hat herausgefunden, dass sich durch vergangene Aufbruchereignisse Schädigungszonen entwickelt haben.
„In den letzten Monaten konnten wir durch hoch aufgelöste Aufnahmen des deutschen TerraSAR-X-Satelliten beobachten, dass der Steg sich verbog. Ein Beitrag dazu war das so genannte Fließen des Eises, also die Verformung des Eises unter seinem eigenen Gewicht. Die Form der Eisbrücke und die angrenzende Eismelange bot zudem eine ideale Angriffsfläche für Sturm. Beides führt nun letztendlich zum Zerbrechen des Stegs“, erklärt Humbert.
Kein Kollaps des Wilkins-Schelfeises zu befürchten
Wie sieht die Zukunft aus? „Wir erwarten in der derzeitigen Phase des Aufbruchs einen Eisverlust von etwa 800 Quadratkilometern. Da sich jedoch bereits Risse weiter südlich als zunächst angenommen gebildet haben, müssen wir damit rechnen, dass sich der Schwund im schlimmsten Fall auf 3.700 Quadratkilometer erhöhen kann“, sagt Humbert voraus. Das Zerbrechen des Stegs bedeutet für das Schelfeis den Verlust einer stabilisierenden Verbindung.
Humbert erklärt: „Ein Schelfeis ähnelt einer eingespannten Membran. Wird eine Verbindung der Membran gelöst, muss sich eine neue Gleichgewichtslage bilden. Dies geschieht auch beim Schelfeis und ist mit Massenverlust verbunden.“
Die nach dem derzeitigen Aufbruch verbleibende Eisfläche, mindestens 8.000 Quadratkilometer, ist jedoch momentan frei von sichtbaren Schädigungszonen, so die Wissenschaftler. Humbert erklärt: „Wir haben derzeit keinen Hinweis darauf, dass es zu einem kompletten Zusammenbruch des Wilkins-Schelfeises kommen wird.“
Klimaerwärmung als Helfer?
Aus Sicht der Umweltschutzorganisation Greenpeace zeigt das Auseinanderbrechen der Eisbrücke das Potenzial von Schelfeisen, instabil zu werden. Generell dienen diese als Stütze für Inlandeis. Wird das Inlandeis dann nicht mehr zurück gehalten, fließt es schneller ins Meer und trägt somit zum Meeresspiegelanstieg bei.
Laut Greenpeace steht das Wilkins-Schelfeis exemplarisch für die Gefährdung der Schelfeisgebiete in der Antarktis. Forscher vermuten, dass der Zerfall der Antarktischen Schelfeisgebiete mit der Klimaerwärmung zusammenhängt. In der Antarktis-Region wurde in den vergangenen 50 Jahren ein Temperaturanstieg von 2,5 Grad Celsius gemessen.
Das Wilkins-Schelfeis ist rund 13.000 Quadratkilometer (km2) groß und liegt gegenüber von Feuerland, circa 1.600 Kilometer von der Südspitze Südamerikas entfernt. Wissenschaftler beobachten seit Jahren, dass riesige Teile dieses auf dem Meer treibenden Eisgebietes kollabieren. Im März 2008 brach bereits ein 1.800 km2 großer Teil des Schelfs ab.
(idw – Universität Münster/Greenpeace, 06.04.2009 – DLO)