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Chemie

Druck lässt Kohlendioxid „mutieren“

Chemiker untersuchen CO2 im virtuellen Labor

Kohlendioxid unter Druck: Grafische Darstellung der Simulationsergebnisse © RUB

Kohlendioxid ist in Gasform ein wichtiger Bestandteil der Erdatmosphäre. Unter bestimmten Bedingungen zeigen die wohlbekannten Moleküle allerdings ganz andere Seiten. So bilden sich zum Beispiel bei hohem Druck Festkörper mit geordneter Molekülstruktur aus. Dieses Verhalten studierte ein internationales Chemikerteam jetzt im virtuellen Labor und entdeckte Festkörper mit interessanten physikalischen Eigenschaften wie etwa „Superhärte“.

Die Forscher um Jian Sun von der Ruhr-Universität Bochum (RUB) berichten zusammen mit Kollegen aus Kanada, Italien, der Slovakei und den USA in der aktuellen Ausgabe der „Proceedings of the National Academy of Science“ (PNAS) über ihre Ergebnisse.

Trockeneis und superharte Struktur

Bei Atmosphärendruck und normalen Temperaturen liegt Kohlendioxid als Gas vor. Bei hohem Druck allerdings kann Kohlendioxid fest werden. In diesem Zustand, als molekularer Kristall, ist es zumeist als „Trockeneis“ bekannt, das zum Beispiel bei der Lebensmittelproduktion und -lagerung, als künstlicher Nebel auf der Bühne und als künstlicher Regen zum Einsatz kommt.

Für die Forscher viel interessanter ist aber das Verhalten von Kohlendioxid bei steigenden Drücken und unterschiedlichen Temperaturen. Unter diesen Bedingungen verändern sich die Interaktionen zwischen den einzelnen Molekülen dramatisch, was zu verschiedenen Polymer-Kristallstrukturen führt, die interessante physikalische Eigenschaften haben, etwa superhart sind. Daher ist Kohlendioxid in den letzten zehn Jahren zum „hot Topic“ der internationalen Forschung geworden.

Computersimulation wirft neues Licht auf experimentelle Ergebnisse

Einer internationalen Forschergruppe ist es jetzt gelungen, neue Einsichten in dieses Forschungsfeld zu gewinnen. Sie nutzten dazu eine neuartige Computersimulation (metadynamics) in Kombination mit quantenmechanischen Berechnungen. So fanden sie heraus, dass sich ein molekularer Festkörper namens CO2-II bei 60 Gigapascal (GPa) – ein GPa entspricht etwa 10.000 Atmosphären – und 600 Kelvin (circa 327°C) in eine geschichtete Polymerstruktur verwandelt.

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Die gute Übereinstimmung ihrer Berechnungen mit der Röntgenstrukturanalyse und anderen experimentellen Daten führte die Forscher außerdem zu neuen Interpretationen älterer experimenteller Ergebnisse. So nehmen sie an, dass die kürzlich experimentell entdeckte dichte Phase VI, die sie zunächst für eine ungeordnete Struktur gehalten hatten, statt dessen das Ergebnis einer unvollständigen Umwandlung der molekularen Phase in die geschichtete Polymerstruktur ist.

Zusätzlich konnten die Wissenschaftler voraussagen, dass eine neue, Kristobalit-artige CO2-Form wie sie in Kieselerde zu finden ist, über einen Zwischenzustand bei 80 GPa und Temperaturen unter Raumtemperatur aus CO2-III gebildet wird. Defekte im Kristall werden mit steigenden Temperaturen häufiger. Bei Temperaturen über Raumtemperatur nimmt CO2 schließlich amorphe Formen an wie auch schon in früheren Experimenten beobachtet wurde.

Unbekannte Umwandlungsprozesse enthüllt

Diese Ergebnisse aus molekulardynamischen Computersimulationen enthüllen nach Angaben der Wissenschaftler bislang unbekannte mikroskopische Umwandlungsprozesse und zeigen die Verwandlung eines molekularen Festkörpers, in dem es nur intra-molekulare Bindungen gibt, in eine Polymerstruktur. Die Umwandlungen finden bei Drücken statt, die natürlicherweise im Erdmantel vorkommen, wo große Mengen oxidierten Kohlenstoffs vorliegen, entweder als Karbonate oder in flüssiger Form.

Die starken und abrupten Veränderungen der Bindungseigenschaften von CO2 sehen die Forscher in ihrer Arbeit als einen Hinweis auf mögliche Unregelmäßigkeiten der Kohlenstoffchemie im Erdmantel.

(idw – Ruhr-Universität Bochum, 26.03.2009 – DLO)

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