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Klima

Umstrittene Eisendüngung schluckte kaum CO2

Nur geringe Algenblüte im Südozean

Satellitenaufnahme der Chlorophyllkonzentrationen an der Meeresoberfläche mit der Lohafex-Blüte (eingekreist). Man beachte die entschieden größere natürliche Blüte oben rechts und die höheren Werte im Südosten. © NASA/GSFC

Das umstrittene Eisendüngungsexperiment im Südozean ist abgeschlossen- mit eher gemischten Ergebnissen: Die Forscher erhielten zear neue Einblicke in die Funktionsweise des planktischen Ökosystems, gleichzeitig wurden aber auch die Hoffnungen gedämpft, bedeutende Mengen Kohlendioxid aus der Atmosphäre langfristig im Südozean binden zu können, um die Erderwärmung abzumildern.

Gemeinsam mit Kollegen aus fünf weiteren Ländern hat das indisch-deutsche Wissenschaftlerteam vom National Institute of Oceanography (NIO) und vom Alfred-Wegener-Institut am 17. März 2009 wieder den Hafen von Punta Arenas, Chile, erreicht. Zuvor verbrachten sie zweieinhalb Monate in den berüchtigten „Roaring Forties“ im Südatlantik und führten dort ein Eisendüngungsexperiment durch. Die Wissenschaftler brachten sechs Tonnen gelöstes Eisen in ein 300 Quadratkilometer großes Gebiet ein, das innerhalb eines Meereswirbels von 100 Kilometern Durchmesser lag. Anschließend haben sie in diesem Fleck die Auswirkungen der Eisenzugabe auf das Plankton über 39 Tage kontinuierlich beobachtet. Zusätzlich untersuchten sie die Chemie des Ozeans, insbesondere den Gehalt von CO2 und weiteren klimarelevanten Gasen.

Minikrebse stoppten Algenblüte

Die Zugabe von Eisen regte wie erwartet das Wachstum von Kleinalgen an. Das Phytoplankton verdoppelten seine Biomasse innerhalb von zwei Wochen, indem es CO2 aus dem Wasser nutzte. „Ruderfußkrebse (Copepoden) stoppten ein weiteres Anwachsen der Algenblüte, da sie die Kleinalgen fraßen und dadurch eine größere Blüte verhinderten“, erklärt Wajih Naqvi, Co-Fahrtleiter vom NIO des indischen CSIR (Council of Scientific and Industrial Research). Die Algenarten, die für Blüten in küstennahen Gewässern inklusive der Antarktis verantwortlich sind, wurden am stärksten gefressen.

Ruderfußkrebse (Copepoden) der Art Clausocalanus laticeps fressen die wachsenden Algen. © G. Mazzochi, SZN / Alfred-Wegener-Institut

Bis zum Ende des Experiments sank wegen des hohen Fraßdrucks nur eine geringe Menge an Kohlenstoff zum Meeresboden ab. So wurde während der Lohafex-Blüte weniger CO2 aus der Atmosphäre im Ozean aufgenommen als bei früheren Eisendüngungsexperimenten. Die größeren Blüten, die in vorhergehenden Experimenten angeregt werden konnten, bestanden hauptsächlich aus Kieselalgen. Diese Diatomeen genannten einzelligen Algen sind durch eine harte Silikatschale vor Feinden geschützt, werden kaum gefressen und sinken nach der Blüte zum Meeresgrund ab.

Diatomeen konnten in der Lohafex-Blüte nicht wachsen, da die Kieselsäure, die sie für ihr Wachstum benötigen, im Untersuchungsgebiet durch vorherige natürliche Blüten aufgezehrt worden war. Diese natürlichen Blüten sind wahrscheinlich durch den Eiseneintrag aus schmelzenden Eisbergen oder Staub aus Patagonien entstanden.

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Düngung in diesem Gebiet ohne große Klimawirkung

Ein Hauptergebnis des Experiments ist daher, dass das Wachstum anderer Kleinalgen durch Eisendüngung stimuliert werden kann, sie aber keine so großen Blüten bilden können wie Kieselalgen, da ihnen der Fraßschutz fehlt. Dementsprechend würde eine Düngung der riesigen subantarktischen Zone mit Eisen wahrscheinlich nicht dazu führen, dass bedeutende Mengen CO2 aus der Atmosphäre gebunden werden könnten, da der Gehalt an Kieselsäure im Oberflächenwasser dieses Gebietes zu gering ist.

Räuber: Flohkrebse statt Krill

„Wir waren überrascht, dass der gedüngte Fleck eine große Anzahl von Flohkrebsen (Amphipoden) angelockt hat“, erklärt Professor Victor Smetacek, Co-Fahrtleiter vom Alfred-Wegener-Institut für Polar- und Meeresforschung in der Helmholtz-Gemeinschaft. Diese garnelenähnlichen Krebse werden zwei bis drei Zentimeter lang und fressen unspezifisch andere Zooplanktonarten wie Ruderfußkrebse. Die häufigste Amphipodenart, Themisto gaudichaudii, hat eine wichtige Funktion im Nahrungsnetz des nördlichen Südozeans. Sie bildet die Nahrungsgrundlage für Tintenfische und Finnwale im Südwestatlantik.

Eisen durch Zooplankton recycelt

Eine zweite Düngung zwei Wochen nach Beginn des Experiments hatte keinen weiteren Einfluss auf das Phytoplankton, was darauf hinweist, dass das Ökosystem bereits eisengesättigt war. „Die Bakteriengemeinschaften ähnelten sich innerhalb und außerhalb des gedüngten Flecks sehr, hatten im Vergleich zu anderen Gebieten jedoch überraschend geringe Zellzahlen“, erklärt Bernhard Fuchs vom Max-Planck-Institut für Marine Mikrobiologie in Bremen.

Das legt nahe, dass die Nährstoffe, auch das Eisen, durch das Zooplankton recycelt werden. Dies ist eine besonders überraschende Entdeckung, da man bisher davon ausging, dass Mikroorganismen und insbesondere Bakterien die Grundlage für alle Nahrungsnetze bilden, indem sie Nährstoffe für alle anderen Lebewesen des planktonischen Ökosystems verfügbar machen.

Die Konzentrationen anderer Treibhausgase als CO2, beispielsweise Lachgas oder Methan sowie halogenierte Kohlenwasserstoffe, die zum Abbau der Ozonschicht beitragen, änderten sich während des gesamten Experiments nur in vernachlässigbaren Größenordnungen oder gar nicht. Am Ende des Experiments sank die Chlorophyllkonzentration als Maß für die Algendichte wieder ab. Mittlerweile wird der gedüngte Fleck sich bereits mit dem Umgebungswasser vermischt haben, so dass nichts weiter zurückbleibt, als ein Schwarm wohlgenährter Flohkrebse.

Wissenschaftler trotzdem zufrieden

All diese vorläufigen Ergebnisse müssen nun durch Messungen in den heimatlichen Laboren gestützt werden. Die Daten werden in den kommenden Monaten ausgewertet. Bis Jahresende werden die Ergebnisse in Workshops diskutiert und für gemeinsame Publikation in wissenschaftlichen Fachzeitschriften aufbereitet. Die Lohafex-Teilnehmer sind mit ihren Ergebnissen sehr zufrieden. „Es war eine anstrengende Expedition, geprägt von Sorge und Hoffnung, während wir unseren Fleck in dem zerfallenden Wirbel verfolgten“, berichtet Smetacek.

Starke Winde waren an der Tagesordnung und zweimal musste Polarstern das Gebiet wegen großer Stürme verlassen, wohingegen kürzere Stürme mit Windgeschwindigkeiten von über 120 Stundenkilometern vor Ort abgewettert wurden. Trotz der harten Arbeit unter widrigen Bedingungen war Lohafex eine aufregende Erfahrung. „Obwohl die Expeditionsteilnehmer aus sieben Ländern stammten und ganz verschiedene wissenschaftliche Erfahrungen hatten, arbeiteten alle bei Lohafex für die gemeinsame Sache. Das Experiment gibt so ein hervorragendes Beispiel für internationale Zusammenarbeit in interdisziplinärer Meeresforschung“, fassen Naqvi und Smetacek das indisch-deutschen Kooperationsprojekt zusammen.

Polarstern hat Punta Arenas am 21. März verlassen, um ozeanografische Messungen in der Drake Passage und durchzuführen und die Jubany-Station zu versorgen. Zusätzlich werden antarktische Fische gefangen, die lebend für Experimente mit nach Bremerhaven gebracht werden sollen. Nach einem weiteren Zwischenstopp in Punta Arenas vom 9. bis 11. April wird das Forschungsschiff dann den Atlantik überqueren und während dieser Heimfahrt kontinuierlich atmosphärische und ozeanische Messungen durchführen. Polarstern wird am 24. Mai in Bremerhaven zurückerwartet.

(Alfred-Wegener-Institut für Polar- und Meeresforschung (AWI), 24.03.2009 – NPO)

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