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Medizin

Rückschlag für Stammzellbehandlung

Transplantierte neurale Stammzellen verursachen Hirntumoren

Stammzellen gelten gerade für neurologische Erkrankungen wie Parkinson, Multiple-Sklerose oder Schlaganfall als neue Hoffnung. Denn sie könten defekte Zelen ersetzen. Doch jetzt haben israelische Forscher über einen Fall berichtet, bei dem sich aus transplantierten neuralen Stammzellen Hirntumoren entwickelten. Dies ist ein herber Rückschlag für die so genannten zellbasierten Therapien.

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Neurale Stammzellen, die im Rahmen von Aborten aus menschlichen Feten gewonnen werden, gelten nicht nur als Hoffnung für die Korrektur vererbter Erkrankungen, sondern auch als therapeutische Alternative bei häufigeren neurologischen Erkrankungen wie Schlaganfall, Parkinson-Erkrankung oder Multiple Sklerose. Als ein wesentliches Risiko solcher auf Stammzellen basierender Therapieansätze gilt die Entwicklung von Tumoren aus den transplantierten Stammzellen, deren biologisches Entwicklungspotenzial schwer vorhersagbar und noch unzureichend verstanden ist.

Tumor nach Stammzellinjektion

Die Krankengeschichte eines jungen Patienten belegt nun endgültig, dass diese Sorgen berechtigt sind. Seit Mai 2001 war ein damals 9-jähriger Junge in Moskau mehrmals mit neuralen Stammzellen behandelt worden. Er litt an Ataxia telangiectasia, einer autosomal-rezessiv vererbten Erkrankung, die durch fortschreitende Hirnschädigungen, meist eine begleitende Immunschwäche und ein deutlich erhöhtes Risiko für die Entwicklung von Tumorerkrankungen gekennzeichnet ist. Ursache der Erkrankung ist eine homozygote Mutation des ATM-Gens auf dem Chromosomenabschnitt 11q22-23. Der Gendefekt führt unter anderem zu Störungen der DNA-Reparatur und der Zellzykluskontrolle.

Es zeigten sich vier Jahre nach Beginn der Injektion neuraler Stammzellen in Gehirn und Liquorraum mehrere, langsam wachsende Tumoren. Ein operativ entfernter Tumor entsprach am ehesten einem glioneuralen Tumor. Dass das Tumorgewebe des betroffenen Patienten von den transplantierten Zellen, sogar mindestens von zwei Spendern abstammte, wurde durch molekularbiologische Methoden zweifelsfrei belegt: Unter anderem fanden sich männliche und weibliche Zellen im Tumor, und die Tumorzellen trugen nicht den Gendefekt der Ataxia telangiectasia. Die relative Immunschwäche vieler Patienten mit dieser Erkrankung mag die Tumorentstehung begünstigt haben.

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Rückschlag für Stammzellbehandlung?

„Diese Beobachtung ist ohne Zweifel ein Rückschlag für die Entwicklung zellbasierter Therapien mit neuralen Stammzellen zur Korrektur definierter genetischer Defekte“, sagt Prof. Dr. Michael Weller, Direktor der Neurologischen Klinik am Universitätsspital Zürich und von 2001 bis 2008 Sprecher der Neuroonkologischen Arbeitsgemeinschaft (NOA) der Deutschen Krebsgesellschaft.

Dieser Fall zeige, wie dringend erforderlich internationale Bemühungen um eine Standardisierung und Optimierung von Stammzell-Therapien seien. Andererseits müssen aber die ebenfalls erheblichen Nebenwirkungen vieler anderer, derzeit eingesetzter Therapien und der lebensbedrohliche Charakter vieler Erkrankungen beachtet werden. Die Forderung nach einem generellen Verzicht auf zellbasierte Therapien aufgrund solcher Rückschläge erscheine darum nicht gerechtfertigt. Vielmehr zeige die Studie, wie wichtig internationale Standardisierungen und Optimierungen dieser Therapieform sind. Mit ihr sind weltweit große Hoffnungen auch bei der Therapie von weit verbreiteten Erkrankungen wie Schlaganfall, Parkinson oder Multiple Sklerose verbunden.

(Deutsche Gesellschaft für Neurologie, 26.02.2009 – NPO)

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