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Physik

Entsteht Supraleitung doch ganz anders?

Gängige Theorien der Hochtemperatursupraleitung in Frage gestellt

Kristallstruktur des neuartigen Eisen-basierten Supraleiters. Die magnetischen und supraleitenden Eigenschaften der Schicht aus Eisenatomen (goldene Kugeln) werden mit Hilfe von Myonen (weisser Pfeil) untersucht. © Paul Scherrer Institut / H. Luetkens

Das Phänomen der Hochtemperatursupraleitung schien bisher zumindest einigen Gesetzmäßigkeiten zu folgen. Doch jetzt belegen Forscher in der Fachzeitschrift „Nature Materials“, dass sich die seit rund einem Jahr bekannten Eisen-basierten Supraleiter nicht an diese Regeln halten. Damit müssen nicht nur gängige Theorien revidiert werden – die Ergebnisse könnten auch Wege zur Erzeugung von effizienteren Hochtemperatursupraleitern aufzeigen.

„Alte und neue“ Hochtemperatursupraleiter

Vor rund zwanzig Jahren wurden die ersten Hochtemperatursupraleiter entdeckt: kompliziert aufgebaute Substanzen auf Kupfer-Basis, die elektrischen Strom ganz ohne Widerstand leiten konnten – und das bei deutlich höheren Temperaturen als die schon länger bekannten klassischen Supraleiter. Der Ausgangsstoff für die Kupfer-Supraleiter ist ein magnetischer Isolator, der bei wachsendem Gehalt an Fremdatomen zunächst allmählich seinen Magnetismus verliert und schliesslich supraleitend wird. Dieser Ablauf galt bislang als Standard für die Vorgänge in Hochtemperatursupraleitern und war die Basis der gängigen Theorien zur Entstehung des Effekts.

Seit Anfang 2008 ist eine neue Klasse von Hochtemperatursupraleitern auf Eisenbasis bekannt, die den bisher bekannten in vielfacher Weise ähnelt. So haben alle Substanzen gemeinsam, dass ihre Kristallstruktur in Schichten aufgebaut ist und der Strom in diesen Schichten fliesst. Gemeinsam ist auch, dass sie aus einer nicht-supraleitenden Ausgangssubsubstanz entstehen, wenn man bestimmte Atome durch die eines anderen Elements ersetzt und so gezielt die Menge an elektrischen Ladungen verändert.

Plötzlicher Wandel

Forscher des Paul Scherrer Instituts (PSI) und der TU Dresden zeigen nun, dass es auch anders geht. So ist der Ausgangsstoff der neuen Eisen-Supraleiter ein Metall. Vor allem wechseln sie aber bei einer bestimmten Menge von Fremdatomen schlagartig vom magnetischen zum supraleitenden Zustand. Das heisst, dass der magnetische Zustand die Supraleitung unterdrückt, die sich sofort entfalten kann sobald der magnetische Zustand zerstört wird. Dabei verschwindet mit dem Magnetismus auch gleichzeitig eine Verzerrung des Kristallgitters.

„Wenn man diese Verzerrung und den damit gekoppelten Magnetismus gezielt unterdrücken könnte, wäre es wahrscheinlich möglich, die Supraleitung bei höheren Temperaturen zu erzeugen.“ erläutert der Physiker Hubertus Luetkens die Konsequenzen seiner Forschung. „Die erwähnte strukturelle Verzerrung kann zum Beispiel durch Einbringen von geeigneten Fremdatomen, aber auch durch das Anlegen hoher externer Drücke verhindert werden.“ ergänzt sein Kollege Hans-Henning Klauß von der TU Dresden. Solche Experimente mit hohem Druck werden zur Zeit am PSI durchgeführt.

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Elementarteilchen enthüllen Magnetismus und Supraleitung

Die Ergebnisse haben die Forscher vor allem mit Hilfe von Myonen gewonnen. Diese instabilen Elementarteilchen werden am Teilchenbeschleuniger des Paul Scherrer Instituts erzeugt und gezielt in das Innere der untersuchten Substanz eingebracht. Dort agieren sie wie mikroskopisch kleine Magnetfeldsonden, die magnetische Vorgänge und Supraleitung im Inneren des Materials zeigen können. „Man kann auch mit einer Messung der Leitfähigkeit feststellen, ob eine Substanz supraleitend geworden ist. Aber nur Myonen zeigen, ob die Supraleitung auf einzelne Bereiche beschränkt ist oder das ganze Material erfasst hat“ erklärt Luetkens einen Vorteil der Myonenexperimente. Myonen für solche Versuche sind weltweit nur an wenigen Orten verfügbar.

(Paul Scherrer Institut (PSI), 24.02.2009 – NPO)

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