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Physik

Magnetische Wirbelfäden in der Elektronensuppe

Magnetische Wirbelfäden in der Elektronensuppe

Magnetische Wirbelfäden an der Oberfläche von Mangansilizium: Grafische Darstellung der Struktur der Wirbelfäden an der Oberfläche von Mangansilizium. Sebastian Mühlbauer und seine Kollegen machten diese mit Neutronen zum ersten Mal sichtbar. © TUM

Physiker haben in Mangansilizium eine neue Form magnetischer Ordnung entdeckt. Das Gitter aus magnetischen Wirbelfäden, über dessen Existenz seit langem spekuliert wurde, konnte mithilfe der Forschungs-Neutronenquelle der Technischen Universität München (TUM) sichtbar gemacht werden.

Die spektakuläre Entdeckung beantwortet nicht nur eine Jahrzehnte alte Frage über die Bausteine des Universums, sondern könnte auch neue Entwicklungen in der magnetischen Datenverarbeitung anstoßen, so die Forscher in der aktuellen Ausgabe des Wissenschaftsmagazins „Science“.

Ein Ring aus sechs Punkten

Eigentlich sollte Sebastian Mühlbauer, Doktorand am Lehrstuhl für Experimentalphysik der TUM, etwas ganz anderes an einer metallischen Verbindung aus Mangan und Silizium messen. Aber Professor Christian Pfleiderer, mit dem Mühlbauer zusammenarbeitet, hatte vergessen, ihn zu bitten die Messanordnung umzubauen. So war das Magnetfeld parallel statt wie geplant senkrecht zum Neutronenstrahl für die Messungen aufgebaut.

Und der Diplom-Physiker fand Sonderliches: „Als ich auf einmal auf dem Bildschirm statt der erwarteten zwei Punkte einen Ring aus sechs Punkten sah, habe ich sofort bei Christian angerufen“, erzählt Mühlbauer. Zufälligerweise war das am 1. April, sodass Pfleiderer zunächst an einen Aprilscherz des Doktoranden glaubte. Doch das sechseckige Muster war tatsächlich sichtbar. Und zwar bei einer Temperatur von minus 245° Celsius und einem Magnetfeld von 0,2 Tesla, was in etwa dem Feld eines starken Permanentmagneten entspricht.

Teamarbeit bringt Erfolge

Nach dieser Entdeckung machten sich Pfleiderer, Mühlbauer und ihre Kollegen so richtig an die Arbeit. „Das war eine richtige Teamarbeit“, beschreibt Pfleiderer die Wochen, während der die Physiker in Garching ihre entscheidenden Messungen durchführten. Per Videokonferenz diskutierten die Festkörper-Physiker mehrmals wöchentlich ihre Beobachtungen mit theoretischen Physikern an der Universität zu Köln um Professor Achim Rosch.

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So wurde die Science-Studie eine Kombination zwischen Experiment und Theorie. Die Kölner rechneten die magnetischen Wirbel nach, die die Münchner mit Neutronen gemessen hatten.

„Die Wirbelfäden sind ja für sich schon ungewöhnlich. Es ist, wie wenn das Metall eine magnetische Suppe ist, in der sich stabile Quantenknoten bilden. Noch verrückter ist aber, dass sich diese Wirbelfäden immer entlang dem Magnetfeld ausrichten. Die kümmern sich überhaupt nicht um die Kristallstruktur“, kommentiert Pfleiderer die neuen Ergebnisse. „Sie verhalten sich wie Partikel, die sich in einem festen Körper frei bewegen können.“

Sebastian Mühlbauer bereitet an einem Heliumkryostaten am TUM-Physik Department Proben für die Messung mit Neutronen vor. © Thorsten Naeser

Erklärung für das Phänomen entdeckt

Pfleiderer und Rosch haben auch eine Erklärung entwickelt, wie die Wirbelfäden zustande kommen. Die magnetischen Momente in Mangansilizium bilden danach normalerweise eine Helix. Liegen aber drei derartige spiralförmige Strukturen sternförmig übereinander, entstehen daraus schließlich die Wirbel.

Pfleiderer forscht bereits seit 18 Jahren am harten und spröden Mangansilizium, weil es für seine magnetischen Messungen gut geeignet ist und sich leicht Einkristalle herstellen lassen.

Schon vor Jahren hat der Wissenschaftler bei seinen Forschungsaufenthalten an der Universität Cambridge, dem Forschungszentrum Grenoble und der Universität Karlsruhe an Mangansilizium anomale metallische Eigenschaften identifiziert. Die Entdeckung der Wirbel erklärt möglicherweise auch, woher das anomale metallische Verhalten rührt.

Skyrmionen aufgespürt

Die magnetischen Wirbelfäden sind vor allem aber aus ganz anderen Gründen interessant. Schon in den 50er Jahren des letzten Jahrhunderts hatte der Münchner Nobelpreisträger Werner Heisenberg vorgeschlagen, nach einer Theorie der Bausteine des Universums zu suchen, die diese Bausteine wie Knoten in einem Medium beschreibt.

Diese Idee wurde vom britischen Physiker Tony Skyrme in den 60er Jahren des letzten Jahrhunderts aufgegriffen – die von ihm vorgeschlagenen Teilchen werden deshalb Skyrmionen genannt. Rein mathematisch betrachtet sind die magnetischen Wirbel, die Pfleiderer und Kollegen entdeckt haben, genau solche Skyrmionen.

Viele Anwendungsmöglichkeiten

Am wichtigsten an den magnetischen Wirbelfäden dürfte jedoch sein, dass die Entdeckung von Pfleiderer und Mühlbauer viele neue Anwendungen verspricht. So vermutet Pfleiderer, dass Mangansilizium nicht das einzige magnetische Material ist, das diese Wirbelfäden ausbildet. Bereits vor 20 Jahren hatte Professor Alex Bogdanov vom Leibniz-Institut für Festkörper- und Werkstoffforschung in Dresden vorhergesagt, dass die magnetischen Knoten, die nun entdeckt wurden, in vielen Substanzen vorkommen müssten.

„Ein weiteres Material haben wir seit unserer ersten Entdeckung in Mangansilizium bereits gefunden“, verrät Pfleiderer. Wenn man lernt, die Entstehung der Knoten zu steuern, kann man völlig neue Verfahren entwickeln, um mit Hilfe von Magnetismus Informationen zu verarbeiten und zu speichern.

MIRA im Einsatz

Durchgeführt haben die TUM-Physiker ihre Messungen mit Neutronen am Instrument MIRA an der Forschungs-Neutronenquelle Heinz Maier-Leibnitz (FRM II) der TUM. Der Name MIRA steht für eine veränderliche Sternformation. Er spielt darauf an, dass sich das Messinstrument für verschiedenste Messverfahren leicht umbauen lässt. Neutronen, die ein magnetisches Moment tragen, treffen in MIRA als Strahl auf die Probe. Sie werden von dem magnetischen Moment in der Probe, den Wirbeln, abgelenkt. Durch die Ablenkung geben sie Auskunft über die magnetische Struktur im Inneren der Probe. So machten Mühlbauer und seine Kollegen die ungewöhnlichen Wirbelfäden in Mangansilizium sichtbar.

(idw – Technische Universität München, 16.02.2009 – DLO)

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