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Materialforschung

Bor gibt Forschern Rätsel auf

Form des Elementes entdeckt, die eigentlich nicht existieren dürfte

Bei einem Druck zwischen 19 und 89 Gigapascal formieren sich die Bor-Atome zu negativ geladenen Ikosaedern (violett) und positiv geladenen Hanteln (orange). © ETH Zürich

Ein Forschungsteam hat eine Form des Elementes Bor gefunden, die laut Lehrbuch gar nicht existieren dürfte: einen ionischen Kristall. Die Wissenschaftler berichten über ihre Ergebnisse in der aktuellen Online-Ausgabe des Wissenschaftsmagazins „Nature“.

Bor ist ein seltenes Halbmetall, dass in seiner kristallinen Form aufgrund der hohen Festigkeit und Steifigkeit für Helikopterrotoren, Tennisracks und Golfschläger verwendet wird. Von allen Elementen reagiert Bor aber am empfindlichsten auf Verunreinigungen. Bereits ein Prozent an fremden Atomen kann Struktur und Eigenschaften von Bor verändern. Diese Empfindlichkeit macht es schwierig, das Element zu studieren.

Hoher Druck führt zu neuer Form

Theoretiker und Experimentalwissenschaftler sind dabei nun aber einen großen Schritt weiter gekommen: Sie haben eine neue, superharte Form von Bor gefunden.

Für die Synthese der neuen Form brauchte man äußerst reines Bor. Das verwendete Material enthielt maximal ein fremdes Atom auf eine Million Bor-Atome. Das Material wurde einem Druck von zwölf bis 30 Gigapascal und Temperaturen von über 1.500 Grad Celsius ausgesetzt. Zum Vergleich: Um aus Graphit einen künstlichen Diamant herzustellen, benötigt man einen Druck von sechs Gigapascal.

Computersimulationen bestimmen Strukturen chemischer Elemente

Liegt der Druck unter 19 Gigapascal, bilden die Bor-Atome eine Kristallstruktur, in der jeweils zwölf Atome zu einem Ikosaeder – einem Körper bestehend aus zwanzig gleichseitigen Dreiecken – angeordnet sind. Ein höherer Druck zwingt die Atome jedoch dazu, eine dichtere Anordnung einzunehmen. Welche Struktur dies ist, ließ sich aber experimentell nicht klären.

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Der Kristallograph Artem Oganov hat während seiner Zeit am Departement Materialwissenschaft der ETH Zürich eine Methode entwickelt, die Strukturen chemischer Elemente mit Hilfe von Computersimulationen vorherzubestimmen. Seine Berechnungen zeigten: Bei einem Druck zwischen 19 und 89 Gigapascal bilden die Bor-Atome zwei unterschiedliche Formen, so genannte Nanocluster. Einerseits formen sich Ikosaeder aus zwölf Atomen, andererseits Hanteln aus zwei Atomen. Die beiden Nanocluster sind im Kristall angeordnet wie beispielsweise die Natrium- und Chloratome im Kochsalz.

Superharter Kristall

Weitere Experimente zeigten, dass es sich bei der neuen Struktur, die die Forscher gamma-B nennen, um einen superharten Kristall handelt. Zudem entdeckten Theoretiker eine außergewöhnliche Eigenschaft des Materials: Das Element im Kristall ist ionisiert, die Ladungen sind also ungleich zwischen den Atomen verteilt. Nach Lehrbuch dürfte eine Ionisierung nur zwischen zwei unterschiedlichen Elementen vorkommen, etwa zwischen Natrium und Chlorid im Kochsalz. In der neu entdeckten Bor-Struktur findet die Ionisierung jedoch zwischen den zwei Arten von Nanoclustern desselben Elements statt.

Auch andere Elemente können ionische Zustände einnehmen

Oganov und seine Kollegen berechneten weiter, dass auch andere Elemente – etwa gewisse Kohlenstoffstrukturen – ionische Zustände einnehmen könnten. Oganov, der nun Professor an der Stony Brook University in den USA ist, erwartet, dass früher oder später Anwendungen auf Basis ionischer Elemente entwickelt werden. Denn die Eigenschaften eines Elements ändern sich, wenn es ionisch wird, es kann zum Beispiel Infrarot-absorbierend werden.

So wäre nach Angaben der Wissenschaftler ein Material denkbar, das nur teilweise absorbierend ist oder dessen Absorbtionsfähigkeit von der Temperatur abhängt. Zudem könnten sich interessante Effekte im Zusammenhang mit Supraleitung ergeben.

(idw – Eidgenössische Technische Hochschule Zürich (ETH Zürich), 30.01.2009 – DLO)

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