Anzeige
Biologie

Bienen schätzen gut

Kleine "Mengenlehre" der Insekten enthüllt

Drei Objekte auf der linken, vier auf der rechten Tafel: Honigbienen können die jeweilige Zahl auf einen Blick erfassen. Erst bei fünf und mehr Objekten gelingt ihnen das nicht mehr. © Mario Pahl / BEEgroup der Universität Würzburg

Mengen aus weniger als fünf Gegenständen auf einen Blick erfassen und voneinander unterscheiden: Mit dieser Fähigkeit steht der Mensch nicht alleine da. Auch Affen, Tauben und andere Wirbeltiere können das. Aber Bienen? Ein neues Experiment hat nun ein verblüffendes Ergebnis geliefert: Auch diese Insekten sind in der Lage, kleine Mengen korrekt zu schätzen.

{1r}

„Damit haben wir erstmals nachgewiesen, dass auch wirbellose Tiere zahlenkompetent sind“, sagt Professor Jürgen Tautz von der Beegroup des Biozentrums der Universität Würzburg. Zusammen mit Kollegen aus Canberra, Australien, berichtet er über die neuen Erkenntnisse im Online-Journal „PLoS ONE“.

Ein Mensch bekommt ganz kurz eine Schachtel mit Bohnen gezeigt. Er soll sagen, wie viele es sind. Liegen bis zu vier Bohnen drin, stimmt die Antwort immer, bei fünf und mehr Bohnen ist sie meist falsch. Dass Menschen eine Menge aus vier oder weniger Objekten stets fehlerfrei schätzen, ist seit 1871 bekannt.

Es war der englische Ökonom W.S. Jevons, der das Bohnen-Experiment durchführte und die Ergebnisse im Wissenschaftsjournal „Nature“ vorstellte. Ab fünf und mehr Bohnen konnten seine Versuchspersonen die genaue Menge nur dann nennen, wenn sie länger in die Schachtel sehen und die Bohnen zählen durften.

Anzeige

Spannende Experimente

Wie gut aber können Bienen schätzen? Dies wollten jetzt die Wissenschaftler um Tautz genau wissen. Sie ließen ihre Tiere im Experiment zu zwei nebeneinander stehenden Tafeln fliegen, die optisch unterschiedlich gestaltet waren. Auf der einen Tafel waren zwei Objekte abgebildet, auf der anderen nur eines.

Jede Tafel hatte außerdem ein Loch, durch das die Bienen fliegen konnten. Hinter der Tafel mit den zwei Objekten drauf fanden sie stets eine Belohnung, nämlich ein Schälchen mit zuckersüßem Wasser. Schnell hatten sie gelernt, wo das Futter versteckt war, und flogen nur noch zur Tafel mit den zwei Objekten.

Bienen auf die Probe gestellt

Nun stellten die Forscher die Bienen auf die Probe. Sie veränderten die Anordnung der Tafeln sowie Anzahl, Farbe und Form der darauf abgebildeten Objekte. Ergebnis: Die Bienen flogen immer zu der Tafel, auf der zwei Objekte zu sehen waren. Ob die Tafel rechts oder links stand, ob es sich bei den Gegenständen um rote Äpfel oder gelbe Punkte handelte, war ihnen egal – nur zwei mussten es sein. Zwei Objekte bedeuten Futter, das hatten die Bienen zuvor gelernt. Die richtige Tafel konnten sie auf Anhieb identifizieren.

Diesen Versuch spielten die Wissenschaftler wieder und wieder durch. Sie trainierten die Bienen mal auf Tafelpaare mit zwei und drei Objekten, dann auf welche mit drei und vier Objekten. Immer fanden die Bienen schnell heraus, zu welcher Tafel sie fliegen mussten. Erst bei Tafelpaarungen mit vier und fünf oder höheren Objektmengen scheiterten sie.

Vorteil für die Bienen

Kleine Mengen korrekt zu schätzen – worin könnte die biologische Bedeutung dieser Leistung für den Bienen-Alltag liegen? Vielleicht machen die Insekten davon Gebrauch, um schnell die Zahl der Blüten an einem Zweig oder die Zahl anderer Bienen auf einer Blüte abschätzen zu können. Und um sich dann ebenso schnell zwischen den Optionen „Landen“ oder „Durchstarten“ zu entscheiden.

Wozu die Bienen diese neu entdeckte Fähigkeit wirklich nutzen, das erforscht der Würzburger Doktorand Mario Pahl. Er hält sich zurzeit in Canberra auf – dort ist jetzt Sommer, und so kann er im Freiland mit Bienen experimentieren.

Antike Hochkulturen: Bruch zwischen vier und fünf

Auf eine kulturelle Besonderheit weist Professor Hans Joachim Gross, Mitglied der Beegroup und emeritierter Inhaber des Würzburger Lehrstuhls für Biochemie, angesichts des neuen Forschungsergebnisses hin: In vielen antiken Hochkulturen gibt es einen auffallenden Bruch beim Übergang von der Zahl 4 zur Zahl 5.

In der frühesten römischen Antike beispielsweise wurden die Ziffern 1 bis 8 so geschrieben: I, II, III, IIII, V, VI, VII, VIII. Im antiken Südarabien schrieben die Menschen I, II, III, IIII, U, UI, UII, UIII. Und bei den Maya in Mittelamerika sahen die Zahlen von 1 bis 8 so aus:*, **, ***, ****, I, *I, **I, ***I.

„In diesen Hochkulturen mit einem entwickelten Kalender- und Rechnungswesen hat man bewusst oder unbewusst gefühlt oder verstanden, dass Objektzahlen bis vier ohne zu zählen richtig und fehlerfrei erkannt werden und dass bereits bei fünf Punkten oder Strichen gezählt werden muss. So hat man für die Zahl fünf eigene, neue Zeichen erfunden“, so der Wissenschaftler.

Schneller rechnen: Eigene Zeichen für fünf und zehn

Der Mensch von heute? Wenn er mit Strichlisten zählt, dann macht er bis zur Zahl vier jeweils einen Strich (I, II, III, IIII). Aber statt IIIII für fünf zu schreiben, streicht er einfach die IIII mit einem Querstrich durch – und hat damit ein neues Zeichen geschaffen, das ihm das Abzählen von fünf Strichen erspart.

„Die Erfindung eines eigenen, neuen Zeichens für die Fünf beziehungsweise die Zehn macht es dem Menschen möglich, auch Zahlen wie VII und VIII auf einen Blick als sieben oder acht zu erkennen – ohne zählen zu müssen“, sagen die Forscher. Auf diese Weise könne man erheblich schneller rechnen. Dasselbe gelte für XII, XIII oder XXII etc.

(idw – Universität Würzburg, 29.01.2009 – DLO)

Teilen:
Anzeige

In den Schlagzeilen

News des Tages

Diaschauen zum Thema

Dossiers zum Thema

Bücher zum Thema

Fantastisches Tierreich - Zwischen Legende und Wirklichkeit von John Downer

Tierisch! - Expedition an den Rand der Schöpfung von Dirk Steffens

Verborgene Welten - Das geheime Leben der Insekten von David Attenborough

Phänomen Honigbiene - von Jürgen Tautz

Unbekanntes Afrika - Archäologische Entdeckungen auf dem Schwarzen Kontinent

Die Pyramiden - Mythos und Archäologie von Peter Janosi

Völker der Sonne - Versunkene Kulturen Südamerikas von Rene Oth

Der Beobachter im Gehirn - Essays zur Hirnforschung von Wolf Singer

Einführung in die Ökologie - von Wolfgang Tischler

Das geheime Leben der Tiere - Ihre unglaublichen Fahigkeiten, Leistungen, Intelligenz und magischen Kräfte von Ernst Meckelburg

Top-Clicks der Woche