Das Gen DREAM, das wesentlich an der Schmerzverarbeitung beteiligt ist, scheint auch großen Einfluss auf Lernen und Gedächtnis zu haben. Dies haben Forscher in Wien und Sevilla bei Studien an Mäusen heraus gefunden. Die neuen Erkenntnisse könnten helfen, die Entstehung der Alzheimer-Erkrankung zu erklären, und neue Ansatzpunkte für deren Therapie liefern, schreiben die Wissenschaftler in der Fachzeitschrift „Current Biology“.
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Mit der Identifizierung des DREAM-Gens gelang einem Team der Universität Toronto im Jahr 2002 ein großer Wurf. Das entsprechende Protein, das durch Kalzium reguliert wird, erfüllt eine Schlüsselfunktion bei der Wahrnehmung der unterschiedlichsten Arten von Schmerz. Mäuse, denen das Gen fehlt, lassen deutlich eine stark reduzierte Schmerzempfindlichkeit erkennen, während sie ansonsten völlig normal erscheinen.
Die Forschungsarbeiten wurden im Labor von Josef Penninger durchgeführt, der heute das Institut für Molekulare Biotechnologie der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (IMBA) in Wien leitet. DREAM wurde in der Folge als „Master-Gen“ der Schmerzwahrnehmung bezeichnet.
DREAM-lose Mäuse genauer untersucht
Ein Team um den Neurobiologen Ángel Manuel Carrión von der Universität Pablo de Olivade in Sevilla hat die DREAM-losen Mäuse nun genauer unter die Lupe genommen. In Zusammenarbeit mit Penninger wurden die Tiere zahlreichen neurologischen Tests unterzogen, in denen ihre Merkfähigkeit und Lernwilligkeit analysiert wurden. Das Ergebnis: ohne DREAM-Protein lernen Mäuse schneller und behalten Information länger. Und, besonders faszinierend, das Gehirn 18 Monate alter Mäuse erwies sich als ebenso leistungsfähig wie das von vergleichsweise jungen Tieren.
DREAM entpuppt sich damit als wichtiger Kandidat bei der Entstehung der Altersdemenz. Ein Zusammenhang mit der Entstehung von Morbus Alzheimer ist nach Ansicht der Forscher nicht unwahrscheinlich. Bereits Mitte 2008 wurden Studien veröffentlicht, die eine Entgleisung der Kalziumregulation als eigentliche Ursache der Alzheimer-Erkrankung nahe legen. Die bekannten Ansammlungen von Amyloid-Protein wären demnach ebenfalls als Folge des abnormen Kalziumstoffwechsels der Gehirnzellen zu interpretieren.
DREAM mit Schlüsselposition
Auch das DREAM-Gen ist in seiner Aktivität von Kalzium abhängig. Hier scheint sich also ein Kreis zu schließen, in dem DREAM eine Schlüsselposition einnimmt und über die Kalzium-Balance sowohl Schmerzwahrnehmung als auch Gedächtnisleistung und Gehirnalterung beeinflusst. Auf diesen Zusammenhang deuten auch Erfahrungen mit Schmerzpatienten hin, deren Merkfähigkeit deutlich reduziert ist.
„Die Ergebnisse dieser Studie sind überraschend und faszinierend“, kommentiert Penninger die Entdeckung. „Dass ein und dasselbe Gen Schmerz, Lernen und Altersmerkfähigkeit reguliert, ist von besonderem Interesse, da Millionen Menschen mit chronischen Schmerzen leben müssen.“
(idw – IMBA – Institut für Molekulare Biotechnologie der Österreichischen Akademie der Wissenschaften, 19.01.2009 – DLO)