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Biologie

Tricks eines Virensensors enthüllt

Wie ein zelluläres Enzym Erreger aufspürt

Viren nutzen Wirtszellen als Fabriken für ihren Nachwuchs. Dazu schleusen sie in ihre unfreiwilligen Gastgeber die Bauanleitung für virale Proteine – normalerweise RNA-Moleküle – ein. Diese Nukleinsäure kommt aber auch in den Zellen höherer Organismen vor, sodass virale RNA nicht leicht als fremdes Material identifizierbar ist. Wie ein zelluläres Enzym die Erreger aufspürt und eine Immunreaktion auslöst, hat jetzt ein internationales Forscherteam enthüllt.

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Die Wissenschaftler um Professor Karl-Peter Hopfner von der Universität München und Professor Taekjip Ha (Illinois, USA) konnten nachweisen, dass RIG-I eine neuartige Translokase ist. Das Enzym bewegt sich also auf bestimmte Weise entlang doppelsträngiger RNA.

„Wir vermuten, dass diese Aktivität dem Protein erlaubt, RNA-Viren in unseren Zellen bei der Replikation zu identifizieren“, so Hopfner in der Online-Ausgabe des Wissenschaftsmagazins „Science“. „Denn dabei entsteht ja doppelsträngige RNA, die dann als Auslöser für die antivirale Antwort des Immunsystems fungiert.“

Proteinen-Arsenal in der Zelle

Jede Zelle benötigt ein ganzes Arsenal von Proteinen. Deren Bauanleitung ist bei höheren Organismen in den Genen gespeichert, also Abschnitten des Erbmoleküls DNA. Soll ein bestimmtes Protein produziert werden, wird das zugehörige Gen in ein dazu passendes RNA-Molekül übersetzt. Die Ribosomen im Zellinneren stellen die Proteine dann getreu dieser Bauanleitung her.

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„Diese Fließbandproduktion können Viren für ihre eigenen Zwecke nutzen“, sagt Hopfner. „Die Parasiten bestehen meist nur aus einem RNA-Molekül als Erbgut in einer kleinen Proteinkapsel. Die RNA enthält in erster Linie Bauanleitungen für neue Kapselproteine. Wird eine Wirtszelle umprogrammiert, produziert die Zellmaschinerie hauptsächlich neue Viruskapseln. Diese werden mit viraler RNA gefüllt – und eine neue Virengeneration befällt weitere Zellen.“

Menschliche Wirtszellen sind den viralen Freibeutern aber nicht wehrlos ausgeliefert: Das RIG-I-Protein erkennt die fremde RNA und löst Alarm aus. Dann wird der Botenstoff Beta-Interferon produziert, der bestimmte Killerzellen als Vorhut der Körperabwehr aktiviert.

Zelluläres Selbstmord-Programm aktiviert

„Außerdem wird durch diese Reaktion das zelluläre Selbstmord-Programm eingeleitet“, berichtet Hopfner. „Ist die Wirtszelle tot, können sich die Viren nicht mehr vermehren.“ Wie aber kann RIG-I fremde virale RNA von körpereigener RNA unterscheiden?

RIG-I erkennt ein bestimmtes chemisches Signal viraler RNA, ein so genanntes Triphosphat, das sich am Anfang des fadenförmigen RNA-Moleküls befindet. Auch die RNA im Zellkern trägt das Triphosphat-Ende. Auf dieses wird dann meist – anders als beim viralen Gegenstück – eine molekulare Kappe, das „Cap“, gesetzt.

Einzelne RIG-I-Moleküle sichtbar gemacht

In einer früheren Studie konnte ein Forscherteam um Hopfner schon erste Einblicke in die molekularen Mechanismen liefern, die der Erkennung des RNA-Triphosphats zugrundeliegen. Dabei zeigte sich, dass ein bestimmter Bereich des RIG-I-Proteins für diesen Vorgang entscheidend ist. Allerdings blieben viele Fragen offen. Die Erkennung eines Triphosphates kann nicht die hohe Genauigkeit des Erkennungsprozesses viraler RNA erklären, da erstens zelluläre RNA manchmal auch Triphosphate habe kann, und nicht alle von RIG-I erkannten viraler RNAs Triphosphat haben. Zudem benötigt der Erkennungsprozess die Energie aus der Spaltung des ATP-Moleküls. Lange aber war unklar, wozu diese Eigenschaft nötig ist.

„In einer Kooperation mit Biophysikern in Illinois konnten wir einzelne RIG-I-Moleküle sichtbar machen und untersuchen“, so Hopfner. „Dabei hat sich gezeigt, dass das Protein die Energie für seine Funktion als Translokase – und zwar eine neuartige Form dieser Enzymklasse – benötigt. RIG-I bindet bevorzugt an doppelsträngige RNA und bewegt sich unter Verbrauch von ATP direkt daran entlang. Vermutlich kann das Protein auf diese Weise RNA-Moleküle erkennen, die gerade von der viralen Proteinmaschinerie verdoppelt wird, und so Viren direkt bei der Replikation identifizieren.“

Die Translokaseaktivität von RIG-I wird dabei von Triphosphaten sehr stark stimuliert, was darauf hindeutet, dass RIG-I zwei virale Muster (Triphosphat und doppelsträngige RNA) in einem Mechanismus integriert und somit äußerst effizient und spezifisch virale RNA erkennt. Dies vermeidet, dass fälschlicherweise zelluläre RNA erkannt wird.

Assoziation initiiert Signalweiterleitung

Wie wird nun ein Signal an die Zelle zur Immunantwort generiert? RIG-I assoziert nach Angaben der Wissenschaftler mit einem Rezeptor auf Mitochondrien, das sind zelluläre Bestandteile. Diese Assoziation leitet eine Signalweiterleitung ein, die schließlich zur Produktion des Immunfaktors Interferon führt. Für diese Interaktion sind zwei spezifische Domänen (CARDs) auf RIG-I notwendig, die aber die Translokase-Aktivität des Enzyms bei doppelsträngiger RNA behindern, wenn kein Triphosphat vorhanden ist.

„Wir vermuten, dass sich in Anwesenheit eines Triphosphates die Struktur des Enzyms leicht ändert“, so Hopfner. „Diese Konformationsänderung würde dann die Translokation anschalten. Während der Translokation wären die CARDs dann für die Signaltranstuktion frei.“

Bald RNA-basierte Krebstherapie?

In einem nächsten Schritt wollen Hopfner und sein Team diese Mechanismen nun genau entschlüsseln. Denn viele Punkte sind noch ungeklärt, etwa auch die technisch nur schwer nachweisbare Strukturänderung des Enzyms, die erst die Weiterleitung des Signals ermöglicht.

„Wir wollen aber auch dem RIG-I verwandte Moleküle in der Zelle untersuchen, die ebenfalls virale RNA-Moleküle erkennen und regulatorische Aufgaben übernehmen“, berichtet Hopfner. „Diese Studien gehen aber über ein rein theoretisches Interesse hinaus: So könnte etwa eine durch RIG-I ausgelöste Immunantwort möglicherweise für eine RNA-basierte Krebstherapie verwendet werden – entsprechende Therapieansätze gibt es sogar schon.“

(idw – Universität München, 08.01.2009 – DLO)

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