Stammzellen gelten als Hoffnungsträger, vor allem, weil sie sich noch nicht zu bestimmten Zelltypen entwickelt haben. Wie dies geschieht, war bisher unklar. In „Science“ berichten Wissenschaftler nun von der Entdeckung eines Gens, das die Differenzierung von Stammzellen bei Fruchtfliegen hemmt. Ein ähnlicher Mechanismus könnte auch beim Menschen über das Schicksal junger Zellen entscheiden.
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Stammzellen sind ein wichtiger Bestandteil des körpereigenen Reparatursystems. Sie ersetzen beschädigte oder tote Zellen und tragen damit zur Funktionsfähigkeit von Geweben und Organen bei. „Unsere Gewebe und unser Leben hängen vom kontinuierlichen Funktionieren der Stammzellen ab”, erklärt Allan C. Spradling, Leiter der Embryologie an der Carnegie Institution. „Trotzdem wissen wir nur wenig über die Gene und molekularen Prozesse, die die Stammzellen davor bewahren, zu normalen Gewebezellen zu werden – in dem Prozess, den wir als Differenzierung kennen.“
Protein blockiert Differenzierungsgene
In der neuen Studie ist Spradling gemeinsam mit seinen Kollegen Michael Buszczak und Shelley Paterno bei Fruchtfliegen einem Gen auf die Spur gekommen, das dafür sorgt, dass Stammzellen undifferenziert bleiben. Scrawny – so der Name dieser Genvariante, benannt nach der struppigen Erscheinung der Fliegen mit dieser Mutation – bremst die Differenzierung über eine Kette von mehreren Schritten: Es modifiziert Histone H2B, ein Protein, das beim Packen der DNA zu Chromosomen mitwirkt. Das Protein wiederum blockiert Gene im DNA-Strang, die normalerweise für die Differenzierung der Zelle zu einem spezifischen Zelltyp sorgen.
Keine Stammzellen ohne „Scrawny“
Fruchtfliegen, bei denen das Scrawny-Gen künstlich deaktiviert war, fehlte diese hemmende Wirkung und die Stammzellen differenzierten sich verfrüht zu ganz normalen reifen Zellen. Damit hatten diese Tiere nahezu alle ihre „Reparaturzellen“ in den Reproduktionsorganen, der Haut und der Schleimhaut der Verdauungsorgane verloren.
Obwohl Wissenschaftler das Scrawny-Gen bisher nur in Fruchtfliegen identifiziert haben, existieren sehr ähnliche Gene, die möglicherweise auch die gleiche Funktion haben, in allen mehrzelligen Lebewesen einschließlich des Menschen. Daher könnte die Entdeckung der Forscher auch für die Stammzellmedizin zukünftig von Bedeutung sein. „Das neue Verständnis der von Scrawny gespielten Rolle könnte es leichter machen, Stammzellpopulationen in Kultur zu vermehren und zu erhalten und dazu beitragen, die Zelldifferenzierung dieser Zellen in eine gewünschte Richtung zu lenken“, so Spradling.
(Carnegie Institution, 08.01.2009 – NPO)