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Physik

Elektronen „tunneln“ ohne Zeitverlust

Hochpräzise Stoppuhr kann keine Verzögerungen im Quantentunnel ermitteln

Benötigen Elektronen eine bestimmte Zeit, um einen Potentialberg zu durchtunneln? Diese lange Zeit strittige Frage hat jetzt ein internationales Forscherteam mithilfe einer neu entwickelten Technik eindeutig mit „nein“ beantwortet.

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Elektronen im Mikrokosmos gelingt, wovon Radfahrer nur träumen: sie können Berge passieren, obwohl sie nicht genug Energie für deren Überquerung haben. Der quantenmechanische Tunneleffekt erlaubt es ihnen, durch Potentialberge hindurch zu tunneln. Uneinig sind sich die Physiker jedoch seit 80 Jahren darüber, ob die Quantenteilchen eine gewisse Zeit im Tunnel verbringen oder augenblicklich auf der anderen Seite des Berges wieder erscheinen.

Unklar war auch, welche Messgrößen zur Entscheidung dieser Frage überprüft werden müssten. Einem internationalen Forscherteam ist es jetzt Dank einer an der Universität Frankfurt am Main entwickelten Methode gelungen, der Frage nach der Tunnelzeit eine experimentell realisierbare Bedeutung zu geben und das Rätsel zu lösen: Das Teilchen erscheint ohne Zeitverzögerung, wie die Forscher in der aktuellen Ausgabe des Wissenschaftsmagazins „Science“ berichten.

Ein Elektron als „Radfahrer“

Der Radfahrer war in diesem Fall ein Elektron in einem Helium-Atom, dem sich für ganz kurze Zeit ein Potentialberg in Form eines Laserfelds in den Weg stellt. Durch den sich auftuenden Tunnel kann das Elektron aus dem Atom entkommen. Hat man eine hinreichend schnelle Stoppuhr, kann man messen, wann es am Tunnelausgang erscheint.

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Die Forschergruppe unter der Leitung von Professor Ursula Keller, Eidgenössische Technische Hochschule (ETH) Zürich, wählte dazu einen raffinierten experimentellen Aufbau: Sie ließ das Laserfeld, das auch den Potentialberg erzeugt, um das Helium-Atom kreisen. Passiert ein Elektron den Tunnel, wird es, je nach dem Zeitpunkt, an dem es am Ausgang ankommt, in unterschiedliche Richtungen geschleudert.

„Der Effekt ist ähnlich wie bei einem starken Wind, der das Teilchen erfasst, sobald es den Schutz des Tunnels verlässt“, erklärt Petrissa Eckle von der ETH. Da man weiß, zu welchem Zeitpunkt der Tunnel sich auftat und wie schnell er rotiert, braucht man nur noch die präzise Position des Elektrons, um zu berechnen, wie lang es im Tunnel gewesen ist.

COLTRIMS-Technik im Einsatz

Die Position und damit die Ablenkrichtung der Elektronen bestimmte die Forscherin mithilfe der in Frankfurt entwickelten COLTRIMS-Technik. Ursprünglich war der Versuch als Demonstrationsexperiment für eine superschnelle Uhr geplant: Das schnelle Uhrwerk ist das Laserfeld des verwendetem Kurzeitlasers. Der Zeiger, der in einer Sekunde vier Mal zehn hoch vierzehn Umdrehungen – eine Zahl mit 14 Nullen – macht, wird durch die Elektronen realisiert.

„Dieses Konzept erlaubt eine Zeitmessung von weniger als 34 Attosekunden Genauigkeit. Diese unvorstellbar kurze Zeit verhält sich zu einer Sekunde so wie eine Sekunde zum Zeitalter des Universums“, sagt Professor Reinhard Dörner von der Universität Frankfurt am Main, der in dem Team mitarbeitete, „In dieser Zeit kommt auch ein Elektron nicht weit: es kann nicht einmal die Hälfte des Atom-Durchmessers durchqueren.“

Hochpräzise Stoppuhr

Die Idee, mit dieser hochpräzisen Stoppuhr die alte Frage der Tunnelzeit zu klären, kam Eckle im Verlauf ihrer Doktorarbeit. Dank des Experiments kann mit einer Genauigkeit von 34 Attosekunden ausgeschlossen werden, dass das Elektron eine bestimmte Zeit zum Durchqueren des Tunnels benötigt.

Da diese Obergrenze nur ein Zehntel des Wertes beträgt, der theoretisch für eine mögliche Tunnelzeit abgeschätzt wurde, sind die meisten Physiker mit der gefunden Antwort zufrieden. Dem Alltagsverständnis läufst sie jedoch völlig zuwider: Denn offenbar können Elektronen in demselben Augenblick, in dem sie am Tunneleingang verschwinden, am Tunnelausgang schon wieder auftauchen.

(idw – Universität Frankfurt am Main, 09.12.2008 – DLO)

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