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Klima

Windfang kühlt Rhône-Gletscher

Hindernis sorgt für Erzeugung eines Kaltluftpolster

Windfang in der Mitte der flach auslaufenden Gletscherzunge des Rhône-Gletschers im schweizerischen Wallis © Universität Mainz

Ein Windfang am Schweizer Rhône-Gletscher sorgt dafür, dass kalte Fallwinde, die normalerweise ungehindert ins Tal abfließen, gebremst und aufgestaut werden und so am Hindernis und in seiner näheren Umgebung ein Kaltluftpolster entsteht. Dies sind die Ergebnisse einer neuen Studie, die die Auswirkungen des globalen Klimawandels auf den Rhône-Gletscher untersucht und Problemlösungen entwickelt.

„Wir haben mit unserem Test-Windfang auf dem Rhône-Gletscher eine eindeutige Abkühlung der oberflächennahen Lufttemperatur erreicht, die bis zu drei Grad Celsius betragen hat“, erklärt Professor Hans-Joachim Fuchs vom Geographischen Institut der Universität Mainz. „Wir vermuten auch, dass sich dadurch die Abschmelzrate des Eises bremsen lässt, konnten dies aber aus technischen Gründen nicht eindeutig nachweisen, immerhin aber beobachten.“

Test-Windfang viel zu klein

Fuchs wies darauf hin, dass der von 27 Geographie-Studenten aufgebaute Test-Windfang natürlich viel zu klein für einen Gletscher sei. „Weil er jedoch einen deutlichen Kühleffekt zeigte, ist dies ein Impuls zum Weiterdenken und Verbessern der Konstruktion. Die Studierenden haben hierzu schon Vorschläge unterbreitet“, sagt Projektleiter Fuchs und weist auch darauf hin, dass es sich dabei um Symptombekämpfung handelt und Ursachenbekämpfung nach wie vor oberste Pflicht sei.

Der Gletscherrückgang sei jedoch zu rapide, um noch länger zu warten, bis eine globale Einsicht zum Klimaschutz eintritt. „Ein Großteil unserer Trinkwasserreserven ist noch im Gletschereis gebunden – aber wie lange noch?“

Der Windfang ist mit Stahlstangen im Eis verankert und mit Seilen abgespannt. © Universität Mainz

Kühleffekt bei wolkenfreiem Himmel am Größten

Im August 2008 hatten die Studenten bei einem zehntägigen Geländeaufenthalt im Wallis den Windfang mit 15 Metern Länge und drei Metern Höhe errichtet. Während sechs Tagen wurden danach mit elf digitalen Messstationen insgesamt 95.000 Messwerte genommen, um die Lufttemperatur direkt am Windfang, in seiner unmittelbaren Nähe und in weiterer Entfernung zu ermitteln.

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Die Datenauswertung zeigte, dass bei wolkenfreiem Himmel und den dann herrschenden Fallwinden der Kühleffekt am größten ist. Die Temperaturen im Windfang lagen nachts um durchschnittlich 1,5 bis zwei Grad tiefer als die Temperaturen außerhalb des Windfangs. Der maximale Temperaturunterschied betrug sogar drei °C.

Windfang-Experiment funktioniert

„Je weiter die Stationen vom Windfang entfernt liegen, desto höher war die gemessene Temperatur“, teilte Fuchs mit. „Das ist ein ganz klarer, markanter und vor allem durchgehender Trend, der zeigt, dass das Windfang-Experiment funktioniert hat.“

Selbst an Tagen mit Föhnwetter, gekennzeichnet durch starke Bewölkung und teilweise Regen mit Winden aus Südwest, lagen die Temperaturen während der Nacht im Windfang um 0,8 bis ein Grad Celsius unter denen außerhalb des Windfangs. Tagsüber waren die Temperaturen im Windfangbereich zwar generell ebenfalls geringer, aber der Effekt war nicht so eindeutig wie nachts, weil sich andere Einflüsse wie zum Beispiel die direkte Sonneneinstrahlung auf die Messstationen auswirkten.

„Die Effektivität des Windfangs wäre sicherlich noch größer ausgefallen, hätten wir eine stabile Hochdruckwetterlage mit stärkeren katabatischen Gletscherwinden gehabt“, merkte Fuchs an.

Studenten bei den Aufbauarbeiten © Universität Mainz

Eishärte bleibt stabil

Die Messung der Eisoberflächentemperatur mit speziellen Infrarotgeräten hat nach Angaben der Wissenschaftler aus technischen Gründen nicht funktioniert, sodass über die Abkühlung des Gletschereises keine Daten vorliegen.

„Wir konnten aber beobachten, dass die Eishärte im Bereich des Windfangs tagsüber etwa gleich blieb, während außerhalb des Windfangs die Eiskristalle an der Oberfläche verschmolzen und die Härte abnahm“, so Fuchs. Weitere Beobachtungen des Projektteams unterstützen die Einschätzung, dass im Bereich des Windfangs die Abschmelzrate vermindert war.

Gletscher sehen und verstehen

Teil der Projektstudie war auch eine Umfrage unter den Besuchern des Rhône-Gletschers. Zwar ist, so das Fazit, den meisten der 230 Befragten die Klimaveränderung bewusst, aber sie besitzen kein Wissen über ihre möglichen Folgen und Gefahren.

Das Team konzipierte vor diesem Hintergrund einen Lehrpfad „Gletscher sehen und verstehen“, der auf einem ein Kilometer langen Fußweg zu einer berühmten Eisgrotte verläuft. Die Grotte wird in den Sommermonaten von bis zu 1.500 Touristen täglich besucht. Zudem wurde ein Infoblatt entworfen, das über den Gletscher, seine Veränderung und mögliche Auswirkungen des Klimawandels informiert. Die Studenten haben darüberhinaus einen Lehrfilm gedreht, der am 6. Februar 2009 der Öffentlichkeit vorgestellt werden soll.

(idw – Universität Mainz, 08.12.2008 – DLO)

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