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Genetik

Mammut-Genom entschlüsselt

Erste nahezu vollständige Sequenzierung eines ausgestorbenen Tieres

Ausschnitt aus den Mammutsequenzen © NCBI

Das Genom des Mammuts ist entschlüsselt. Amerikanischen Forschern gelang nun die erste nahezu vollständige Sequenzierung eines ausgestorbenen Tieres, mehr als vier Milliarden DNA-Basen wurden dafür dekodiert. Als Vergleichssequenz diente das Genom des Afrikanischen Elefanten, des nächsten lebenden Verwandten der eiszeitlichen Riesen.

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Das Mammut eignet sich wie kaum ein anderes ausgestorbenes Wirbeltier dafür, vorzeitliches Erbgut zu analysieren. Denn die Fossilien des eiszeitlichen Elefanten wurden größtenteils im Permafrostboden Sibiriens gefunden und sind damit noch relativ gut erhalten. Bereits vor einiger Zeit gelang denn auch die Entschlüsselung des mitochondrialen Genoms des Mammuts, ein Erbgut-Teil, der aus dem Zellkern in das Kraftwerk der Zellen, das Mitochondrium ausgelagert ist. Diese DNA ist relativ leicht zu sequenzieren, da sie in vielen Kopien vorliegt. Allerdings kodiert sie nur rund 13 der geschätzten 20.000 Gene des Mammuts.

DNA aus Mammut-Haarwurzeln

Jetzt hat ein Team von Wissenschaftlern mehrerer amerikanischer Forschungseinrichtungen und dem russischen Institut für Zoologie in Moskau auch das Hauptgenom des „Urelefanten“ sequenziert und damit theoretisch Zugriff auf die Information für alle seine Eigenschaften. Als Rohmaterial für die Sequenzierung nutzten die Forscher DNA aus den Haarwurzeln eines 20.000 Jahre alten und eines 60.000 Jahre alten Mammutrelikts. Da der Haarschaft die DNA in den Wurzeln umgibt wie eine Art biologische Plastikfolie, ist das Erbgut in diesen Zellen relativ gut vor dem Zerfall und dem Einfluss der Elemente geschützt.

„Vorhergehende Studien zu ausgestorbenen Tieren haben in der Regel nur geringe Datenmengen erbracht”, erklärt Stephan C. Schuster, Professor für Biochemie und Molekularbiologie an der Penn State Universität und einer der beiden Projektleiter. „Unser Datensatz ist um das Hundertfache umfangreicher als jede andere publizierte Gensequenz einer ausgestorbenen Art und demonstriert damit, dass auch Analysen alter DNA auf das gleiche Niveau gebracht werden können wie Projekte mit modernem Genom.“

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Vergleich mit Genom des Afrikanischen Elefanten

Die Wissenschaftler sequenzierten rund vier Milliarden Basenpaare mithilfe modernster Sequenziergeräte und einer besonders effektiven DNA-Lesemethode. Anschließend verglichen sie die Sequenz mit einer vorläufigen Komplettsequenz des Afrikanischen Elefanten, an der zurzeit Forscher der Harvard Universität und des Massachusetts Institute of Technology (MIT) arbeiten. „Erst wenn das Genom des Afrikanischen Elefanten vollständig entschlüsselt ist, können wir eine endgültige Schätzung darübermachen, wie viel des Mammut-Erbguts wir tatsächlich sequenziert haben“, erklärt Webb Miller, Professor für Biologie und Computerwissenschaften an der Penn State.

Die Wissenschaftler nehmen an, dass nur rund 3,3 Milliarden der von ihnen dekodierten Basenpaare tatsächlich zum Mammutgenom gehören, der Rest stammt vermutlich von Bakterien, Pilzen und anderen organischen Verunreinigungen. Da das Erbgut des heutigen Nachfahren der Mammuts, des Afrikanischen Elefanten, rund vier Milliarden Basenpaare umfasst, gehen Miller und seine Kollegen davon aus, dass sich auch das Mammutgenom ungefähr in diesem Bereich bewegt.

Mammuts und Elefanten haben sich allmählich auseinander entwickelt

Schon jetzt hat die Entschlüsselung wichtige Informationen zur Evolution der Elefanten geliefert: So zeigte sich in den Genvergleichen, dass sich das Mammut vor rund zwei Millionen Jahren in zwei Unterpopulationen aufspaltete. Eine davon starb vor rund 45.000 Jahren aus, die andere überlebte bis nach der letzen Eiszeit vor rund 10.000 Jahren. Zudem scheinen die Mammuts deutlich enger mit den heutigen Elefanten verwandt zu sein als bisher angenommen.

„Unsere Daten deuten darauf hin, dass die Linien von Mammut und modernem Elefanten sich vor rund sechs Millionen Jahren voneinander getrennt haben, ungefähr zur gleichen Zeit, als sich auch Menschen und Schimpansenlinien trennten“, erklärt Miller. „Aber im Gegensatz zu diesen, die sich sehr schnell zu zwei sehr verschiedenen Arten entwickelten, evolvierten Mammuts und Elefanten allmählicher.“ Miller hofft, dass die neuen Daten auch Informationen darüber liefern, wie schnell sich Säugetiergenome im Allgemeinen entwickeln können.

Krankheit als Aussterbe-Ursache?

Aber auch neue Hinweise zur Ursache des Aussterbens der eiszeitlichen Riesen liefert das Genom. „Wir haben entdeckt, dass einzelne Mammuts einander genetisch so ähnlich waren, dass eine Krankheit, ein Klimawandel oder der Mensch sie sehr leicht ausrotten konnten“, so Schuster. Zumindest für eine Untergruppe der sibirischen Mammuts hatten die Wissenschaftler bereits in vorherigen Studien den Mensch als Schuldigen ausgeschlossen. Denn vor 45.000 Jahren, dem Zeitpunkt ihres Aussterbens, gab es in dieser Region noch keine Menschen. Für andere Untergruppen allerdings, beispielsweise in Nordamerika, sind die Ursachen nach wie vor unklar.

„Die meisten Tiergenome haben virale Sequenzen integriert und obwohl diese nicht direkt mit Krankheiten in Verbindung stehen, kann eine mehrfache Integration solcher Gene auf eine Störung in der Virus-Wirt-Interaktion hindeuten und damit auch auf eine Erkrankung“, so Miller. „Alternativ könnte sich herausstellen, dass lange Generationszeiten und geringer Nachwuchs zur Ansammlung schädlicher Mutationen führen. Wir erwägen im Moment eine Reihe möglicher Ursachen für das Aussterben.“

Spätere Wiederweckung theoretisch möglich

Der Blick in das Mammut-Erbgut ermöglicht es den Forschern auch, nach den genetischen Ursprüngen für die einzigartigen Anpassungen des Mammuts an seine extrem kalte, eiszeitliche Umgebung zu suchen. So haben sie bereits eine Reihe von Sequenzen identifiziert, die in allen anderen bisher entschlüsselten Säugetiergenomen das gleiche Protein-Segment aufweisen, im Mammut jedoch nicht.

„Das ist das erste Mal, dass wir ein ausgestorbenes Tier in der gleichen Detailtiefe untersuchen können wie ein heute lebendes“, so Schuster. „Zudem könnten wir theoretisch Daten erzeugen, die eines Tages anderen Wissenschaftlern dabei helfen, das Mammut ins Leben zurückzubringen, indem sie die für das Mammut spezifischen Sequenzen in das Erbgut des modernen Elefanten einbauen.“

(Penn State Universität, 21.11.2008 – NPO)

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