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Biologie

Rätsel um Ur-Augen gelöst?

Wissenschaftler entschlüsseln, wie Larven wirbelloser Meeresbewohner zum Licht hin navigieren

Der Ringelwurm Platynereis dumerilii gilt als lebendes Fossil © Litographie von Friedrich Hempelmann (1911)

Die Meere halten immer noch viele Geheimnisse für uns bereit. Eines davon ist die größte Wanderungsbewegung auf der Erde: Unzählige, im Meer schwebende Kleinstlebewesen schwimmen angezogen vom Licht an die Meeresoberfläche. Wissenschaftler haben jetzt das Rätsel gelöst, wie die Larven wirbelloser Meeresbewohner zum Licht hin navigieren.

Ein Ringelwurm, dessen Larve zwei einfache Augenflecke sowie einen Wimpernkranz zur Fortbewegung besitzt, diente den Forschern dabei als Modellorganismus. Sobald die Forscher vom European Molecular Biology Laboratory in Heidelberg und vom Max-Planck-Institut für Entwicklungsbiologie in Tübingen einen der beiden Augenflecke der Larve beleuchteten, änderten die ihn umgebenden Wimpern ihre Schlagfrequenz und die Larve schwamm auf die Lichtquelle zu.

Möglich wird dies durch einen Nervenstrang, der die Augenzellen mit den Wimpernzellen verbindet. So könnten auch die ersten Augen in der Evolutionsgeschichte funktioniert haben, berichten die Forscher in der aktuellen Ausgabe des Wissenschaftsmagazins „Nature“.

Größter Biomassetransport auf der Erde

Die Larven wirbelloser Meerestiere, wie Krebse, Schwämme und Seesterne, haben die einfachsten Augen der Tierwelt. Diese so genannten Augenflecken bestehen nur aus zwei Zellen: einem Photorezeptor, der das Licht einfängt, und einer Pigmentzelle, die den Photorezeptor zu einer Seite hin abschirmt. Diesen Augentyp hat schon Charles Darwin als Ur-Augen beschrieben, als die ersten Augen in der Evolutionsgeschichte.

Mit ihren Augenflecken können die Tiere keine Objekte erkennen, sehr wohl aber die Einfallsrichtung des Lichts. Diese Fähigkeit ist für die Phototaxis, das Schwimmen zum Licht hin, essentiell. Die vertikale Wanderungsbewegung der Planktonorganismen ist der größte Biomassetransport auf der Erde.

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Erste Schritte der Augenentwicklung nachvollziehen

„Bislang war völlig unklar, wie die Tiere mit ihren einfachen Augen und Nervenzellen überhaupt zielgerichtet zum Licht hin schwimmen können“, sagte Detlev Arendt, der das Projekt am European Molecular Research Laboratory initiiert hat. „Wir vermuten, dass die ersten Augen im Tierreich genau zu diesem Zweck entstanden sind. Die Erkenntnisse über die Phototaxis erlaubt uns, die ersten Schritte der Augenentwicklung nachzuvollziehen.“

Der Modellorganismus der Wissenschaftler ist der Ringelwurm Platynereis dumerilii. Seine Larven besitzen je zwei Augenflecke und einen Wimpernkranz, mit dem sie sich fortbewegen. Die Wissenschaftler um Arendt und Gáspár Jékely haben nun erstmals beschrieben, wie die Augenflecke die Bewegung der Larven regulieren.

Und das funktioniert so: Wird ein Augenfleck angestrahlt, so sendet die Photorezeptorzelle das Signal über einen Nervenstrang an die umgebenden Wimpern. Diese ändern daraufhin ihre Schlagfrequenz. Der Wasserstrom um die Larve ändert sich. Die Larven, die sich in Form einer Helix schraubenförmig vorwärts bewegen, werden dadurch in ihrer Richtung umgelenkt und bewegen sich auf das Licht zu.

Lebendes Fossil

„Platynereis ist ein lebendes Fossil, er lebt schon seit Millionen von Jahren nahezu unverändert an den Küsten gemäßigter und tropischer Meere“, sagte Jékely vom Max-Planck-Institut für Entwicklungsbiologie. „Wir vermuten, dass die bei Platynereis gefundene direkte Verbindung zwischen Photorezeptor und Fortbewegungsorgan auch schon in den Ur-Augen der ersten Tiere auftrat.“

(MPG, 20.11.2008 – DLO)

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