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Archäologie

Kleinfamilien gab es schon in der Steinzeit

Weltweit ältester molekulargenetischer Beweis für eine Kernfamilie erbracht

Freigelegtes Grab © Landesamt für Denkmalpflege und Archäologie Sachsen-Anhalt und Landesmuseum Halle

Im Jahr 2005 haben Archäologen in Sachsen-Anhalt ein 4.600 Jahre altes Gräberfeld aus der Steinzeit entdeckt. Es enthält Gruppen von Erwachsenen und Kindern, die Gesicht zu Gesicht beerdigt worden sind – vermutlich Opfer eines gewalttätigen Angriffs. Wissenschaftler haben nun nicht nur den genauen Ablauf der Tragödie enthüllt, sondern auch die genetischen Verwandtschaftsverhältnisse analysiert. Dabei wurde in einem Grab eine direkte Eltern-Kind-Verwandtschaft entdeckt – der bislang älteste molekulargenetische Beweis für eine Kernfamilie.

Weitere Untersuchungen zeigten, dass es sich bei der Gesellschaft offenbar um Gemeinschaften handelte, die außerhalb der Sippe heirateten und in der sich die Familien am Wohnort des Mannes niederließen. Die Wissenschaftler der Universitäten Mainz, Adelaide und Bristol berichten zusammen mit Kollegen des Landesamtes für Denkmalpflege und Archäologie und dem Landesmuseum für Vorgeschichte in Halle in der Fachzeitschrift „Proceedings of the National Academy of Sciences“ (PNAS) über ihre Ergebnisse.

Umgang mit dem Tod

„Die Gedankenwelt unserer Vorfahren im Umgang mit dem Tod und die Beziehung der Lebenden zu den Toten erschließt sich dem Anthropologen mehr oder weniger aus der Beschäftigung mit den sterblichen Überresten unserer Vorfahren. Die anthropologische Analyse von Skelettresten ist daher mehr als nur ein Schlüssel zu Informationen über die biologischen Parameter in früheren Bevölkerungen“, so Professor Kurt W. Alt vom Institut für Anthropologie der Universität Mainz.

Mithilfe eines multi-interdisziplinären Ansatzes, der Archäologie, Physische Anthropologie, Molekulargenetik (aDNA) und Biogeochemie (stabile Isotopen) umfasst, ist es ihm und seinen Kollegen gelungen, das Szenario einer Tragödie präzise zu rekonstruieren, die sich vor 4.600 Jahren ereignet hat. „Dabei ragt als ein Befund heraus, dass wir den bisher weltweit ältesten molekulargenetischen Beweis einer Kernfamilie erbringen konnten“, so Alt.

Mehrfachbestattungen in Eulau

Im Jahr 2005 wurden vier Mehrfachbestattungen in Eulau, Sachsen- Anhalt, entdeckt und ausgegraben. Das Besondere an diesen Mehrfachbestattungen war nicht nur die Gewalt, der diese Menschen – gleichzeitig – zum Opfer fielen, es ist auch die große Sorgfalt bei der Niederlegung der Verstorbenen, die die Frage aufwirft, was an diesem längst vergangenen Tag geschah und in welcher Beziehung die Menschen zueinander standen, sodass ihr Schicksal sie vereinte.

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Kombiniert man die Resultate verschiedener, eng innerhalb des Projektes verbundener Disziplinen, erlaubt dies, Licht in das tragische Ereignis am Ende der Jungsteinzeit zu bringen. Darüber hinaus waren die Wissenschaftler in der Lage, die verwandtschaftlichen Beziehungen der in Eulau Bestatteten bis auf den Nachweis einer Kernfamilie aufzudecken und die soziale Struktur der Gesellschaft zu erhellen, die exogam und patrilokal organisiert war.

Ausstellung im Landesmuseum Sachsen-Anhalt

Die Mehrfachbestattungen von Eulau sind im neu eröffneten Landesmuseum Sachsen-Anhalt, Deutschland, dauerhaft zu sehen. Seit Beginn der Dauerausstellung am 23. Mai 2008 haben diese Funde, die Seite an Seite mit der Himmelscheibe von Nebra gezeigt werden, ein enormes Interesse der Öffentlichkeit hervorrufen.

(idw – Universität Mainz, 19.11.2008 – DLO)

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