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Genetik

Genvergleich zwischen Mensch und Schimpanse

Bisher umfassendste Vergleichsstudie mit unseren nächsten Verwandten

Die Ergebnisse des bisher umfassendsten Genom-Vergleichs von Mensch und Schimpanse haben jetzt Forscher in den Fachmagazinen „Nature“ und „Genome Research“ veröffentlicht. Erstmals kartierten sie den Verlust oder Gewinn ganzer Gengruppen zwischen beiden Primatenarten an mehr als jeweils 30 Individuen. Es zeigte sich, dass bestimmte Genbereiche, die unter anderem die Immunreaktion, aber auch die Anfälligkeit für eine HIV-Infektion steuern, sich unterschieden.

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30 Menschen und 30 Schimpansen

In einer vom Chimpanzee Sequencing and Analysis Consortium imitierten Studie untersuchten Wissenschaftler mehrerer Forschungseinrichtungen das Genom von 30 Menschen und 30 Schimpansen. Ein direkter Vergleich dieses Umfangs war zuvor noch niemals durchgeführt worden. Anstatt kurze „Einbuchstaben”-Unterschiede in den Genomen, so genannte SNPs oder „single nucleotid polymorphisms“ zu vergleichen, konzentrierten sich die Forscher auf „copy number variations“ – Unterschiede in der Anzahl der Kopien ganzer DNA-Regionen. Die Bedeutung dieser „CNVs“ ist erst innerhalb der letzen Jahre erkannt worden.

„Dies ist die erste Studie dieser Größe, die das Genom von Mensch und Schimpanse direkt vergleicht”, erklärt Richard Redon vom Wellcome Trust Sanger Institute, einer der Leiter der Studie. „Wenn man nur eine Referenzsequenz für beide betrachtet, wie dies bei vorherigen Untersuchungen der Fall war, kann man nicht erkennen, welche Abweichungen auf Variationen zwischen individuellen Schimpansen oder Menschen zurück gehen und welche echte Differenzen zwischen den beiden Arten sind.“

Ähnlich, aber nicht gleich

Der Vergleich enthüllte sowohl CNVs, die in beiden Spezies vorhanden sind als auch deutliche Unterschiede zwischen den Arten. „Im Großen und Ganzen weisen beide Genome ähnliche Muster und Mengen von CNVs auf – rund 70 bis 80 in jedem Individuum“, erklärt Redon. „Davon tauchen rund die Hälfte an ähnlicher Stelle in beiden Arten auf. Aber über diese Gemeinsamkeiten hinaus haben wir spannende Belege für Gruppen von Schlüsselgenen gefunden, die sich zwischen uns und unserem nächsten Verwandten unterscheiden.“

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Die meisten „copy number variations“ liegen bei Menschen und Schimpansen in Genregionen, in denen das Genom extrem instabil ist, den so genannten segmentalen Duplikaten. Doch rund ein Viertel der 355 differierenden CNVs, die die Forscher entdeckten, zeigten keinerlei Überlappungen mit CNVs der jeweils anderen Art. Nach Ansicht der Wissenschaftler ein Zeichen dafür, dass diese Varianten in jeder Spezies fixiert sind und damit signifikante Unterschiede zwischen menschlichem und Schimpansen-Genom markieren.

Varianten in Gengruppen für Entzündungsreaktion

„Es ist offensichtlich, dass es eine auffällige Fluktuation im Geninhalt zwischen Menschen und Schimpansen gegeben hat“, erklärt George Perry von der Arizona State Universität. „Einige dieser Veränderungen könnten auf außergewöhnliche Selektionsdrucke zurückzuführen sein. So ist eine überraschend hohe Zahl von Genen, die die Entzündungsreaktion reguliert – APOL1, APOL4, CARD18, IL1F7, IL1F8 – komplett aus dem Schimpansengenom gelöscht. In Menschen steht APOL1 im Zusammenhang mit der Resistenz gegen den Parasiten, der die Schlafkrankheit hervorruft, während IL1F7 und CARD18 eine Rolle bei der Entzündungskontrolle spielen. Der Schimpanse muss daher alternative Regulationsmechanismen dieser Prozesse besitzen.”

Als Fazit ergibt sich, dass besonders diejenigen Genregionen Unterschiede in der Anzahl der Kopien zwischen beiden Arten zeigen, die mit Reaktionen des Immunsystems zusammenhängen oder aber die Zellvermehrung kontrollieren. Auch bei einer Genregion, die mit einer erhöhten Anfälligkeit des Menschen gegenüber einer HIV-Infektion in Zusammenhang steht, zeigten sich Differenzen. „Das ist unser erster Blick auf diese beiden wichtigen Erbteile der Evolution: die Variationen innerhalb der Schimpansen und die Unterschiede zwischen Schimpanse und Mensch“, erklärt Redon abschließend.

(Wellcome Trust Sanger Institute, 07.11.2008 – NPO)

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