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Neurobiologie

Zwei Wege für die Sprache

Zweite Verbindung der beiden Sprachzentren im Gehirn entdeckt

Im Gehirn gibt es zwei Sprachzentren, eines für das Verstehen und eines für das Sprechen. Eine in der Fachzeitschrift „Proceedings of the National Academy of Sciences“ (PNAS) veröffentlichte Studie belegt nun, dass beide Zentren nicht nur durch einen, sondern noch durch einen zweiten Faserstrang miteinander verbunden sind. Beide übernehmen unterschiedliche Aufgaben.

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Seit jeher beschäftigten sich Neurowissenschaftler mit Sprachfunktionen im Gehirn. Ausgangspunkt dieser Diskussion ist bis heute ein klassisches Modell der Sprachverarbeitung, das auf Pionierarbeiten der frühen Neurowissenschaften des 19. Jahrhunderts zurückgeht. Laut diesem Modell ist eine Region im hinteren Schläfenlappen für das Sprachverständnis wichtig und eine weitere Region im Stirnlappen für die Sprachproduktion. Beide Sprachzentren sind durch einen bogenförmigen Faserstrang, den „Fasciculus arcuatus“ miteinander verbunden. Er galt daher bis heute als der wichtigste Überträger von Sprachinformationen im Gehirn.

In einer aktuellen Studie haben Neurologen des Universitätsklinikums Freiburg nun herausgefunden, dass ein weiterer, bisher wenig beachteter Faserstrang, die Capsula extrema, eine ganz wesentliche Bedeutung für die Sprachverarbeitung hat. In Zusammenarbeit mit Röntgendiagnostikern und Medizinphysikern identifizierten sie zunächst in zwei einfachen Sprachexperimente an freiwilligen Versuchspersonen mit Hilfe der funktionellen Kernspintomographie diejenigen Hirnareale, die beim Nachsprechen und beim Sprachverständnis aktiv sind. In einem zweiten Schritt stellten sie mit der sogenannten diffusionsgewichteten Kernspintomographie bei allen Probanden die Faserstränge des Gehirns dar.

Aus den Daten beider Messungen zusammen zeigte sich, dass Schläfen- und Stirnlappen beim Nachsprechen tatsächlich über den bekannten, rückläufigen Weg entlang des Fasciculus arcuatus kommunizieren, wohingegen beim Sprachverständnis der bisher wenig beachtete vorderen Weg über die Capsula extrema dominiert.

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Die Forscher gehen davon aus, dass die bekannte hintere Route über den Fasciculus arcuatus im Wesentlichen daran beteiligt ist, sensorische Informationen im Schläfenlappen mit motorischen Programmen im Stirnlappen abzustimmen. Für die sprachliche Fähigkeit „Nachsprechen“ bedeutet dies, dass die gehörte Sprache mit motorischen Programmen für die Artikulation abgeglichen wird.

Dagegen ist die neu beschriebene vordere Route über die Capsula extrema vielmehr ein kognitiver Verarbeitungsweg. Für das Sprachverständnis bedeutet dies, dass erst durch das Zusammenspiel zwischen Schläfen- und vorderem Stirnlappen das bewusste Verstehen von Sprache ermöglicht wird.

Die Erkenntnisse der Studie sind auch wichtig, um zu verstehen, wie Hirnschädigungen, beispielsweise ein Schlaganfall oder Hirntumor, durch Störung spezifischer Anteile des Sprachnetzwerkes den Verlust von Sprachfunktionen hervorrufen kann. Darüber hinaus helfen die Ergebnisse zu verstehen, wie man dieses geschädigte Netzwerk durch Sprachtraining und spezifische Hirnstimulationen rehabilitieren kann.

(Universität Freiburg, 03.11.2008 – NPO)

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