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Geowissen

„Perpetuum mobile“ im Meer entdeckt

Ozean düngte sich in der Kreidezeit selbst

Christian März während einer Expedition auf dem Forschungsschiff METEOR. © MARUM - Zentrum für Marine Umweltwissenschaften an der Universität Bremen

Geowissenschaftler haben einen Mechanismus entdeckt, mit dem sich der kreidezeitliche Ozean selbst düngte. Anhand von 90 Millionen Jahre alten Ablagerungen aus dem tropischen Atlantik, die während einer Expedition im Rahmen des Ozeanbohr-Programms ODP gewonnen wurden, konnten sie ein perpetuum mobile im Meer nachweisen: Dabei fungiert sauerstofffreies, schwefelwasserstoffhaltiges Meerwasser als Motor für einen Prozess, bei dem die lebenswichtigen Nährstoffe Phosphor und Eisen recycelt werden.

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Bohrkern vom Meeregrund verrät Kreislauf

Die von einer Forschergruppe um Christian März vom Alfred-Wegener-Institut in Bremerhaven sowie Kollegen der Universitäten Bremen und Newcastle untersuchten Meeresablagerungen wurden im Rahmen des Ozean-Bohrprogramms ODP in 1.900 Metern Wassertiefe erbohrt und stammen aus der Kreidezeit. Es handelt sich um 90 Millionen Jahre alte Schwarzschiefer, die viel organisches Material, das heißt Pflanzen- und Tierreste enthalten. Zu jener Zeit lag die heutige Bohrungsstelle in der Nähe des Äquators im noch fast vollständig von Landmassen umschlossenen Atlantik.

Im Rahmen ihrer Studie nahmen die Forscher vor allem die Wechselwirkungen zwischen den Elementen Phosphor und Eisen unter die Lupe. Dabei interessierten sie sich insbesondere für die Dynamik geochemischer Umwandlungsprozesse im kreidezeitlichen Meer, die sie mit großer zeitlicher Genauigkeit nachzeichnen konnten: In ihrem Artikel in der Fachzeitschrift „Geochimica et Cosmochimica Acta“ beschreibt die Autorengruppe einen mehrphasigen geochemischen Prozess, der sich während der Kreidezeit in diesem Teil des tropischen Atlantiks abspielte:

Phase 1: Schwefelwasserstoffanreicherung in der Tiefe

In der Untersuchungsregion sinken große Mengen abgestorbener Tier- und Pflanzenteile aus oberen Meeresschichten zum Ozeanboden. Sie werden von Mikroorganismen zersetzt. Dabei wird Sauerstoff verbraucht. Die Folge: Der Sauerstoffgehalt im unteren Stockwerk des Ozeanbeckens geht auf Null zurück. Da die Untersuchungsregion zudem ein weitgehend abgeschottetes Meeresbecken ist und kaum Nachschub an frischem Meerwasser erhält, reichert sich das unterste Stockwerk des vorzeitlichen Meeresbeckens mit giftigem Schwefelwasserstoff an.

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Phase 2: Phosphorfreisetzung und Düngung der oberen Wasserschichten

Weil das Meerwasser sauerstofffrei und mit Schwefelwasserstoff angereichert ist, werden große Mengen des wichtigen Nährstoffes Phosphor aus den oberen Sedimentschichten freigesetzt und gelangen zurück ins Meerwasser – auch in die oberen, lichtdurchfluteten Ozeanstockwerke. Dort stehen sie erneut Organismen zur Verfügung, die wiederum die Ablagerung organischer Substanz verstärken – eine positive Rückkopplung also.

Phase 3: Eisen-Phosphor-Ausfällung

In Abständen von etwa 120.000 Jahren strömt frisches, sauerstoffhaltiges Oberflächenwasser aus dem Südatlantik in das Ozeanbecken ein. Ursache dafür sind möglicherweise zyklische Veränderungen in der Erdumlaufbahn. Durch den Wasserzustrom werden die Schwefelwasserstoffreichen Bedingungen am Meeresboden beendet. Zudem werden Eisenoxid-Minerale ausgefällt, an denen sich Phosphor bevorzugt anlagert. Die „Eisen-Phosphor“-Partikel sinken zum Ozeangrund ab und werden in das Sediment eingebettet.

Phase 4: Alles auf Anfang

Wenn der Wasserzustrom aus dem Südatlantik abreißt, gewinnt der Schwefelwasserstoff in den tieferen Wasserschichten wieder die Oberhand: Der Kreislauf der Elemente geht in eine neue Runde und das „Recycling“ von Phosphor aus dem Meeresboden setzt nach etwa 120.000 Jahren von neuem ein.

Der Kreislauf, den die Forscher um Christian März aus den Millionen Jahre alten Schwarzschiefern herauslesen konnten, ist auch für den heutigen Ozean von Belang. „Es ist erwiesen, dass sich infolge des globalen Klimawandels in vielen Teilen der Weltmeere sauerstofffreie Bereiche ausweiten, die dem kreidezeitlichen Atlantik ähneln“, bilanziert Christian März: „Möglicherweise liegt einer der Schlüssel zum Verständnis zukünftiger Prozesse also in den uralten Meeresablagerungen verborgen.“

(MARUM – Zentrum für Marine Umweltwissenschaften an der Universität Bremen, 29.10.2008 – NPO)

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