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Chemie

Kunstprion soll Rinderwahnsinn erklären

Dem BSE-Erreger auf der Spur

Einem deutsch-schweizerischen Forscherteam ist es erstmals gelungen, ein verankertes Prion künstlich herzustellen. Damit liefern sie der Prionenforschung möglicherweise eine neue Grundlage, um herauszufinden wie der Rinderwahnsinn (BSE) oder die Creutzfeldt-Jacob-Krankheit entstehen.

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Mitte der 90er Jahre war der Rinderwahnsinn in aller Munde. Das Beunruhigende an der Tierseuche war die Vermutung, dass eine Variante der tödlich verlaufenden Creutzfeldt-Jakob-Krankheit (vCJD) beim Menschen durch den Verzehr von BSE-verseuchtem Rindfleisch hervorgerufen wird.

In beiden Spezies kommt es durch die Krankheiten zu einer Degeneration des Gehirns. Wissenschaftler gehen seit längerem davon aus, dass dafür falsch gefaltete Prionen verantwortlich sind. Auch wenn es ruhiger um BSE und CJD geworden ist, sind die prionenbedingten Krankheiten bis heute nicht heilbar.

Normale und abnorme Prionen

Normale Prionen sind relativ einfach aufgebaute Proteine, die natürlicherweise im Hirngewebe vorkommen. Neue Forschungsergebnisse lassen sogar vermuten, dass Prionen eine wichtige Rolle bei der Entwicklung neuer Nervenzellen im Gehirn spielen. In den meisten Fällen weisen also Prionen eine ungefährliche Struktur auf. Noch ist unklar, weshalb diese Proteine plötzlich ihre Struktur ändern und dadurch den Trägerorganismus, etwa Kuh, Schaf oder Mensch, krank machen.

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Forscher verdächtigen einen Teil der Prionen, die Glycosylphosphatidylinositole, kurz GPI genannt. Sie bestehen aus Zucker- und Fettresten und verankern Prionen in der Zelloberfläche. Diese GPI-Verankerung ist möglicherweise dafür verantwortlich, dass ein Prion seine Struktur verändert und sogar weitere Prionen dazu bringt, sich ebenfalls anders zu falten. Resultat sind viele abnorme Prionen, die sich verklumpen und so das Gehirn schädigen.

Erstmals künstlicher Molekülkomplex

Bisher ist es allerdings nicht gelungen, diese komplizierten, verankerten Prionen vollständig aus natürlichen Systemen zu isolieren. Die Wissenschaftler mussten sich deshalb damit begnügen, die ungewöhnlichen Krankheitserreger ohne Anker zu untersuchen, um ihre Struktur, Funktion, Stabilität und Faltung besser zu verstehen. Das Problem dabei: Einfache Prionen ohne Verankerung machen nicht krank. Es ist für die Prionenforschung deshalb zentral, Prionen mit einem GPI-Anker analysieren zu können.

Eine Lösung bietet nun ein deutsch-schweizerisches Forschungsteam um Peter Seeberger, ETH-Professor für organische Chemie, und Christian Becker, Professor am Labor für Proteinchemie an der Technischen Universität (TU) München in der Fachzeitschrift „Angewandte Chemie“ an. Ihnen ist es erstmals gelungen, den kompliziert aufgebauten Molekülkomplex im Labor künstlich nachzubauen.

Seebergers Team synthetisierte den GPI-Anker, Beckers Gruppe das Prion. Danach wurden die beiden Stoffe zusammengefügt und zu einem Ganzen vervollständigt. „Die Synthese des GPI-Ankers ist für die Chemie ein Meilenstein, weil sie der Forschung neue Möglichkeiten und Erkenntnisse öffnet“, betont Seeberger.

Erste Tests verliefen positiv

Erste Tests zeigen den Forschern, dass sie das „richtige“ Molekül erschaffen haben. Das Kunstprion und sein GPI können sich in Zellmembranen verankern. Mit Hilfe des künstlichen Molekülkomplexes können Prionenforscher die Rolle des GPI-Ankers genauer untersuchen.

So kann in Zukunft vielleicht geklärt werden, ob das GPI tatsächlich Einfluss auf die Faltung des Prions hat und ob es dazu beiträgt, dass Prionen sich plötzlich gegenseitig negativ beeinflussen. „Das wird die Arbeit der Prionenforscher um Professor Adriano Aguzzi vom Unispital Zürich sein, denen wir mit unseren Molekülen nun das entsprechende Werkzeug in die Hand geben“, so Seeberger.

(idw – Eidgenössische Technische Hochschule Zürich (ETH Zürich), 21.10.2008 – DLO)

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