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Astronomie

Geburt von Zwerggalaxien enträtselt?

Astronomen legen neue Theorie zur Entstehung vor

Eine Gruppe von der Größe der Magellanschen Gruppe fällt in eine milchstraßenähnliche Galaxie. © zvg

Die Entstehung von Zwerggalaxien zu erklären, verursachte bisher große Schwierigkeiten. Nun haben Züricher Astronomen eine neue Theorie dazu vorgelegt. In der Fachzeitschrift „Astrophysical Journal“ lösen sie mehrere bisher offene Probleme durch einen Vergleich von beobachteten Zwerggalaxien mit Supercomputersimulationen ihrer Entstehung.

Zwerggalaxien sind extragalaktische Sternensysteme, die in der Morphologie den normalen Galaxien ähnlich sind, aber eine geringere absolute Helligkeit haben. „Vor zehn Jahren hat mein Team an der Universität in Washington herausgefunden, dass unsere kosmologischen Modelle 30 bis 50 mal mehr kleine Objekte vorhersagen, als wir beobachten. Wären die Zahlen ungefähr gleich gewesen, wäre dem Modell ein schneller Erfolg sicher gewesen. Gäbe es keine Zwerggalaxien, hätten wir vielleicht einen Weg gefunden, ihre Entstehung in der Simulation zu unterbinden“, sagt George Lake von der Universität Zürich und folgert: „So aber standen wir vor der Frage: ‚Wie schaffen wir es, die meisten der Zwerggalaxien an ihrer Entstehung zu hindern, aber nicht alle?’“

Globale Erhitzung des Universums

Die gängigste Theorie, um die Entstehung vieler leuchtender Zwerggalaxien zu verhindern, ist, dass gewisse Ereignisse im frühen Universum das Gas entfernten, aus dem sich Sterne hätten formen können. Das erste dieser Ereignisse ist die globale Erhitzung und Reionisation des Universums, die sich während einer Milliarde Jahren nach dem Urknall ereignet haben. Gemäß dieser Theorie entgeht der kleine Anteil der Zwerggalaxien, der sich schnell genug gebildet hatte, der Zerstörung. „Obwohl dies eine interessante Idee ist, liefert sie keine Erklärung dafür, dass die meisten Zwerge Sterne haben, welche viel später entstanden sind“, sagt Lake.

Kontaktfreudige Zwerggalaxien

Fragen aufgeworfen hat bisher auch die Formation von Zwerggalaxien: Sie sind nämlich seltsam gruppiert. „Sie sind ‚kontaktfreudig‘ und ordnen sich in Gruppen an – sowohl innerhalb unserer Galaxie wie auch in nahe gelegenen Formationen“, fährt Co-Autorin Elena D’Onghia fort. „Man könnte fast meinen, sie würden Schneewittchen kennen, da sieben ‚unserer Zwerge‘ mit den Magellanschen Wolken verbunden sind – den größten Ablegern der Milchstraße, die gut sichtbar sind, wenn man das Glück hat, den Himmel aus der südliche Hemisphäre beobachten zu können.“

Dass sich Galaxien im Universum hierarchisch formen, weil viele ihrer Bestandteile in Gruppen von kleineren Objekten eintreffen, haben Forscher bereits früher bemerkt. „Der entscheidende Faktor ist jedoch nicht, dass diese Zwerggruppen Gruppen sind, sondern dass sie einen ‚Zwergenführer‘ oder ‚Elternteil‘ haben. Wenn durch ein Ereignis im frühen Universum Gas aus den kleinsten Objekten heraus geschleudert wird, führt der Zwergenführer dieses Gas mit und ermöglicht so den kleinen Kameraden, es zu einem späteren Zeitpunkt wieder aufzunehmen“, sagt D’Onghia.

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Lake und D’Onghia haben all diese Teile des Puzzles zusammengefügt und stellen die Theorie auf, dass die Magellanschen Wolken die größten Mitglieder einer Gruppe von Zwerggalaxien sind, die vor nicht allzu langer Zeit in den dunkeln Milchstraßen-Halo eintraten. Sieben der elf hellsten Satellitengalaxien unserer Milchstraße waren Teil dieser Gruppe.

Es beginnt mit der Gruppierung

Neue Simulationen, die an der Universität Zürich durchgeführt wurden, zeigen, dass es für Zwerggalaxien typisch ist, sich in Gruppen zu formieren und zu einem späten Zeitpunkt in große Galaxien einzutreten. Gezeitenkräfte spalten diese Gruppen und verteilen die leuchtenden Zwerge auf der Milchstraße. Auf diese Weise entstehen die Satellitengalaxien, welche wir heute beobachten.

Diese neuen Forschungsergebnisse von Lake und D’Onghia korrespondieren auch mit Messungen, welche erst neulich von Forschern der Harvard Universität, unter ihnen Nitya Kallivayalil und Gurtina Besla, durchgeführt wurden. Diese weisen darauf hin, dass sich die Magellanschen Wolken schneller bewegen als bisher angenommen und dass sie vielleicht erst kürzlich in die Milchstraße eingetreten sind.

Auf der Suche nach Begleitern

„Das von D’Ongia und Lake vorgeschlagene Szenarium passt gut zu diesen Beobachtungen und könnte viele Eigenschaften des Satellitenbestandes der Milchstraße erklären“, erklärt Lars Hernquist von der Harvard Universität.

Die Theorie von Lake und D’Onghia löst verschiedene Probleme im Zusammenhang mit der Entstehung von Galaxien und macht klare Voraussagen, die in Kürze getestet werden. Eine dieser Voraussagen ist, dass bei isolierten Zwerg- und Satelliten-Galaxien Begleiter gefunden werden. Tatsächlich wurde seit dem erstmaligen Kursieren ihrer Theorie im Juli entdeckt, dass die Zwerggalaxie Leo IV einen kleinen Begleiter Leo V hat. Auch die Existenz nahe gelegener Zwergengemeinschaften unterstützt diese Theorie.

(idw – Universität Zürich, 16.10.2008 – DLO)

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