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Biotechnologie

Gummi aus „Kaninchenfutter“

Forscher wollen Löwenzahn für die Kautschukproduktion züchten

Russischer Löwenzahn © Christian Schulze Gronover

Kaninchen sind verrückt nach Russischem Löwenzahn. Dabei taugt die Pflanze nicht nur als Nagerfutter, sondern sie hat auch Eigenschaften, die sie wirtschaftlich interessant machen: Sie produziert Kautschuk. Da synthetisch hergestellte Kautschukprodukte wegen steigender Ölpreise immer teurer werden, könnte der Löwenzahn künftig aus Sicht Münsteraner Wissenschaftler zu einem wichtigen Gummilieferanten werden.

Das Team um Professor Dirk Prüfer vom Institut für Biochemie und Biotechnologie der Pflanzen will optimale Voraussetzungen für die Gummiherstellung schaffen: Sie züchten eine Löwenzahnsorte, die aufgrund ihrer Eigenschaften für die Kautschukproduktion noch wesentlich besser geeignet ist als die herkömmliche Pflanze. Zudem betreiben sie Grundlagenforschung, um die biologischen Mechanismen der Kautschukproduktion besser zu verstehen.

„Durch die steigenden Ölpreise wird Naturkautschuk wieder interessanter“, so Prüfer. Allerdings hat der herkömmliche Naturkautschuk, der aus dem Gummibaum gewonnen wird, zwei Nachteile: Die derzeit produzierte Menge ist kaum ausreichend und könnte auch kurzfristig nicht erhöht werden. Zudem löst Naturkautschuk, der aus dem Gummibaum gewonnen wird, häufig Allergien aus, im Gegensatz zu synthetisch hergestelltem Kautschuk – und im Gegensatz zu Kautschuk aus Löwenzahn.

Fließ-Stopp wird ausgeschaltet

Während der in Deutschland heimische Löwenzahn nur sehr geringe Mengen an Kautschuk produziert und daher für die Gummiherstellung uninteressant ist, liefert der aus Russland stammende Löwenzahn Taraxacum koksaghyz große Mengen davon – der Kautschukanteil macht über ein Drittel des Milchsaftes der Pflanze aus. Allerdings gibt es ein Problem: „Sobald die Pflanze verletzt wird und latexhaltiger Milchsaft austritt, wird der Saft braun und fließt nicht mehr“, erklärt Prüfer. Diese Reaktion dient dem Verschluss von Verletzungen des Pflanzengewebes. Gleichzeitig behindert diese Eigenschaft jedoch die Kautschuk-Gewinnung.

Taraxacum koksaghyz - nicht nur für Kaninchen interessant © Christian Schulze Gronover

Die Forscher wissen längst, welches Enzym für die Gerinnung des austretenden Milchsafts verantwortlich ist. „Bei Pflanzen, in denen wir das zuständige Gen durch gentechnologische Methoden ausgeschaltet haben, gibt es diesen Fließ-Stopp nicht. Sie sind für die Kautschuk-Produktion bestens geeignet. Allerdings untersuchen wir diese Pflanzen nur im Labor, sie sollen nicht in die Umwelt gelangen“, so Prüfer.

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Die Forscher wollen daher durch klassische Züchtung eine Pflanze erhalten, bei der der Fließ-Stopp ebenfalls ausgeschaltet ist. Bis eine solche Zuchtlinie entstanden und marktreif ist, vergehen etwa fünf Jahre, schätzt Prüfer. Dann könnte der Löwenzahn den Rohstoff zur Reifenherstellung liefern, aber auch für Produkte wie antiallergene Handschuhe oder Kondome.

Russischer Löwenzahn auch in Deutschland?

Ein großer Vorteil des Löwenzahns ist seine Anspruchslosigkeit. Er wächst auf Böden, die zur Produktion von Nutzpflanzen nicht geeignet sind, und er wäre problemlos auch in Deutschland anbaubar. Da der Russische Löwenzahn nicht so vermehrungsfreudig ist wie sein einheimischer Verwandter, befürchten die Forscher nicht, dass er sich massiv in der Natur ausbreiten würde.

Der aus Löwenzahn gewonnene Kautschuk hat soweit bislang bekannt die gleichen Eigenschaften wie der synthetische. So ist zum Beispiel die Elastizität identisch. Die Idee, Löwenzahn zur Gummiproduktion zu verwenden, ist nicht neu. „Der Russische Löwenzahn wurde schon während des zweiten Weltkriegs genutzt, von Russland, den USA und auch von den deutschen Nationalsozialisten“, so Prüfer.

Sollte der Russische Löwenzahn künftig großflächig angebaut werden, müsste allerdings noch ein Problem gelöst werden: Der Appetit der Kaninchen. „Andererseits löst sich das Problem vielleicht auch von selbst dadurch, dass die Kaninchen mit dem Fressen einfach nicht nachkommen“, sagt Prüfer. „Das wissen wir nämlich von den Salatbauern: Die Menge macht’s.

EU-PEARLS

Die Erforschung Kautschuk liefernder Pflanzen wird durch das neue EU-Vorhaben „EU-PEARLS“ (EU-based Production and Exploitation of Alternative Rubber and Latex Sources) vorangetrieben. In dem Projekt, das von der niederländischen Universität Wageningen koordiniert wird, arbeiten universitäre Partner, Forschungszentren und Unternehmen aus fünf EU-Ländern sowie aus der Schweiz, Kasachstan und den USA zusammen, um alternative Kautschukquellen zu erschließen. Es wird von der Europäischen Union mit 5,6 Millionen Euro gefördert. 682.000 Euro davon gehen an die Forscher aus Münster.

(idw – Universität Münster, 13.10.2008 – DLO)

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