Fruchtfliegen sind sehr viel wählerischer und vorsichtiger als Laboruntersuchungen an deren Nervenkostüm vermuten lassen. Wissenschaftler haben durch Verhaltensstudien herausgefunden, dass ein einzelner Geruchsreiz in der Regel nicht ausreicht, damit die Insekten sofort und gezielt Futterquellen oder Orte zur Eiablage anfliegen.
Die Anlockung fliegender Insekten durch Duft- oder Pheromonfallen spielt in der modernen Landwirtschaft eine immer größere Rolle. Mithilfe solcher Fallen können besonders auf Weinbergen und in Obstgärten Schädlinge dezimiert oder überwacht werden. Eine jetzt in Jena durchgeführte Studie könnte dazu beitragen, solche Fallen zu verbessern und neue zu entwickeln.
Laborstämme und „frische“ Wildtypen getestet
Wissenschaftler des Max-Planck-Instituts für chemische Ökologie testeten dafür die Reaktion veschiedener Fruchtfliegenstämme (Drosophila melanogaster) auf Duftreize. In den Experimenten wurden verschiedene Laborstämme verwendet, die bereits etabliert und neurophysiologisch sehr gut charakterisiert sind: Canton-S, Oregon-R-C, Oregon R-S, Berlin-K und Wild-Type-Berlin. Zusätzlich testeten die Forscher aber auch drei Varietäten, die erst kürzlich aus dem Freiland ins Labor aufgenommen wurden (Dalby-HL, Helsingborg-E undHelsingborg-F).
Die Experimente zeigten, dass sich schon die Laborstämme je nach Fruchtfliegen-Varietät und Nahrungs-(Duft-)angebot sehr unterschiedlich verhielten. Vor allem die Geschwindigkeit, mit der die Tiere auf den Duftreiz reagierten, differierte. Die drei zusätzlichen Fliegenvarietäten entpuppten sich als besonders wählerisch und ließen sich weder schnell noch unmittelbar von fruchtig riechenden Duftstoffen oder einzelnen Duftsignalen betören.
Erst das Gemnisch ist attraktiv
„Diese noch vor kurzem in der freien Natur lebenden Fliegen zeigen wahrscheinlich den ursprünglichen Phänotyp des Verhaltens von Drosophila melanogaster: Sie reagieren, wie andere Insektenarten auch, sehr wählerisch auf Wirtssignale und verlassen sich nicht auf einen einzelnen Duftstoff, der ihre Antennen reizt. Und außerdem wird das Verhalten von Insekten nicht nur positiv von attraktiven Duftstoffen, sondern auch negativ von abstoßenden Signalen in der Luft gesteuert, die zum Beispiel von Früchten kommen, die den Tieren nicht als Nahrung dienen“, so Bill Hansson, Direktor der Abteilung Evolutionäre Neuroethologie am Max- Planck-Institut für chemische Ökologie in Jena.
Die Unterschiede zwischen den „neuen“ Stämmen und den etablierten führen die Forscher auf genetische Unterschiede zwischen den einzelnen Varietäten zurück, die sich geographisch bedingt oder aber durch künstliche Selektion von Fliegen im Verlauf der Vermehrung in den Laboren der Genetiker und Neurobiologen manifestiert haben.
Ökotypen als Anpassung
Die Experimente zeigten zudem, dass das unterschiedliche Verhalten der insgesamt acht verschiedenen Drosophila Varietäten nicht das Syndrom einzelner genetisch-olfaktorischer Defekte ist, zum Beispiel hervorgerufen durch Fehlen oder Mutation eines bestimmten Duftstoff- Rezeptors. Bei den Varietäten handelt es sich vielmehr um eine Anpassung sich entwickelnder „Ökotypen“ der Art Drosophila melanogaster an verschiedene Standorte und Lebensbedingungen, und damit an verschiedene Duftmischungen.
(Max-Planck-Institut für chemische Ökologie, 06.10.2008 – NPO)