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Biologie

Poren öffnen dem Tod die Tür

Wie körpereigene Abwehrstoffe Virus-befallene Körperzellen und Tumorzellen angreifen

Granzyme bei ihrer tödlichen Arbeit: Eine Killerzelle kontaktiert eine Tumorzelle (links) und löst sich nach einer Stunde (Mitte). Nach weiteren zwei Stunden bilden sich Bläschen (rechts, roter Pfeil) auf der Oberfläche der angegriffenen Tumorzelle. Die Tumorzelle schrumpft, stirbt und zerfällt. © MPI für Neurobiologie / Jenne

Wissenschaftler haben den Hauptzugangsweg aufgeklärt, über den Virus-befallene Körperzellen und Krebszellen von körpereigenen Abwehrstoffen angegriffen werden. Wie sie in der Fachzeitschrift „Proceedings of the National Academy of Sciences“ (PNAS) berichten, schleusen spezialisierte Zellen des Immunsystems eine tödliche Menge an kleinen Molekülen, so genannte Granzyme, über Poren in die attackierten Zellen ein und lösen so deren eingebautes Selbstmordprogramm aus.

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Die neuen Ergebnisse der Wissenschaftler des Max-Planck-Instituts für Neurobiologie eröffnen auch neue Perspektiven für eine verbesserte Therapie von chronischen Virusinfektionen und Krebserkrankungen.

Während des alltäglichen Lebens wird uns nur selten bewusst, welche Kämpfe im eigenen Körper stattfinden. Nahezu kontinuierlich muss sich der Körper gegen unzählige Krankheitserreger wehren. Mit jedem Liter Blut, der durch unseren Körper gepumpt wird, werden daher bis zu fünf Milliarden weiße Blutkörperchen auf Patrouille geschickt. Ein Teil dieser Zellen reagiert auf Krankheitserreger mit der Produktion von Antikörpern, die exakt auf den erkannten Erreger zugeschnitten sind und diesen präzise angreifen. Gleichzeitig lassen sie Gedächtniszellen entstehen, die diesen Erreger bei einem erneuten Angriff wiedererkennen.

Schnelles Handeln ist wichtig

Neben diesen Taktikern unter den weißen Blutkörperchen gibt es eine zweite Gruppe von Zellen, die ohne große Umschweife gleich zum Angriff übergeht: T- und Killer-Zellen haben sich auf Virus-infizierte Körperzellen und Tumorzellen spezialisiert – hier ist ein sofortiges Handeln besonders wichtig.

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Doch ganz ohne Taktik geht es auch bei diesen Angriffszellen nicht. Denn zunächst müssen die Waffen dieser Zellen, die so genannten Granzyme, in die kranke Zelle eingeschleust werden. Erst dort entfalten sie ihre Wirkung: Sie manipulieren die schädliche Zelle so, dass sie ihr eingebautes Selbstmordprogramm aktiviert. Doch wie kommen die Granzyme in die Zelle?

Poren oder Membrantransport?

Diese Frage diskutieren Wissenschaftler seit mehr als zwanzig Jahren. Zwei Wege, über die Granzyme in eine Zelle gelangen können, wurden dabei diskutiert: über Poren oder über einen Membrantransport. Das Molekül Perforin hinterlässt kleine Löcher in der Zellmembran. Da es von T- und Killer-Zellen zeitgleich mit den Granzymen abgegeben wird, könnten sich hiermit Türen für Granzyme öffnen. Granzyme binden aber auch an die Oberfläche der attackierten Zellen und werden dann über kleine Membraneinschnürungen in das Zellinnere transportiert.

Da die Perforin-Löcher in der Zellmembran recht klein sind und von der attackierten Zelle schnell wieder geschlossen werden, favorisierten die meisten Wissenschaftler den Membrantransport als Hauptzugang für Granzyme in eine Zelle.

Die Frage, welcher Weg die tödliche Menge Granzyme in eine Zelle bringt, ist nicht trivial. Mit diesem Wissen könnten neue Therapien zur Virus- und Krebsbekämpfung entwickelt werden. Nach zwanzig Jahren scheinen Wissenschaftler des Max-Planck-Instituts für Neurobiologie diese Frage nun geklärt zu haben: Entgegen der gängigen Meinung sind offenbar tatsächlich die Membranlöcher die Haupteintrittspforte für Granzyme. Den Beweis erbrachten die Wissenschaftler mit künstlich veränderten Granzymen, die nicht mehr an Membranen binden und somit nicht via Membrantransport in die Zelle gelangen können.

Alte Frage endlich geklärt

„Interessanterweise war trotz dieser Einschränkung keine verminderte Effektivität der Angriffszellen festzustellen“, erklärt Max-Planck-Forscher Dieter Jenne. „Wir konnten außerdem zeigen, dass die Poren groß genug sind, um genügend Granzyme in die Zelle zu lassen, bevor diese die Löcher wieder abdichten kann.“

„Das spannende an diesen Ergebnissen ist aber nicht nur, dass eine alte Frage nun endlich geklärt ist“, sagt Jennes Kollege Florian Kurschus, „sondern dass unsere Granzym-Varianten zusammen mit dem Wissen, dass die Membranlöcher der wichtigste Zugang zur Zelle sind, verbesserte Therapiemöglichkeiten zur Virus- und Krebsbekämpfung bieten.“

Denn künstlich zugegebene Granzyme schädigen in hoher Dosis auch gesunde Zellen, in die sie über Membrantransport eindringen. Die neuen Granzym-Varianten reichern sich nicht in gesunden Zellen an, da sie nur den durch T- oder Killer-Zellen mittels Perforin eröffneten Weg nutzen können. Bei infizierten Zellen, die von einer T- oder Killer-Zelle als Feind erkannt wurden, wird ihnen diese Tür geöffnet – weit genug für ihre todbringende Arbeit.

(idw – Max-Planck-Institut für Neurobiologie, 03.09.2008 – DLO)

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