Einzelne Zellen einer Bakterienpopulation können ihr Leben einsetzen, damit sich die anderen Zellen möglichst gut vermehren. Schweizer Biologen haben bei Salmonellen erstmals ein biologisches Konzept entdeckt, bei dem Aufopferung für andere bis hin zur Selbstzerstörung sowie Zufallsprozesse eine wichtige Rolle spielen.
Selbstaufopferung kommt nicht nur beim Menschen, sondern auch bei andern Lebewesen, selbst bei einfachen Bakterien, vor. Wissenschaftler der ETH Zürich aus den Teams von Professor Martin Ackermann und Professor Wolf-Dietrich Hardt beschreiben in Zusammenarbeit mit Professor Michael Doebeli von der UBC in Vancouver diese Woche in „Nature“, wie es durch einen molekularen Zufallsprozess bei der Zellteilung dazu kommt, dass die Schwesterzellen von Bakterien neue Funktionen erlangen und sich selbst für andere opfern.
Selbstaufopferung als Überlebensstrategie
Die Forscher untersuchten dieses außergewöhnliche biologische Konzept am Beispiel von Salmonellen. Salmonellen sind stäbchenförmige Bakterien, die bei Menschen schwere Infektionskrankheiten hervorrufen können. Am Anfang stehen Salmonellen, welche mit verunreinigter Nahrung – zum Beispiel in Eiern oder Pouletfleisch – aufgenommen werden und in den Darm gelangen. Dort können sie sich aber wegen der Mikroorganismen, die allgemein als Darmflora bezeichnet werden, nur schlecht vermehren.
Laut Ackermann, Hardt und Doebeli haben Salmonellen für dieses Problem eine überraschende Lösung entwickelt: Ein erster Teil der Bakterien verbleibt im Innern des Darms. Ein zweiter Teil der Zellen zeigt ein Verhalten, das zu ihrer eigenen Zerstörung führt. Sie dringen ins Darmgewebe ein und werden dort durch das Immunsystem getötet. Durch diesen Vorgang wird eine Darmentzündung ausgelöst, die einen großen Teil der Darmflora eliminiert. Die im Darm verbliebene erste Gruppe erhält dadurch die Gelegenheit, sich ungehindert zu vermehren und die Erkrankung des Wirtes einzuleiten.
Der Zufall entscheidet
Ob eine Zelle zur ersten selbstaufopfernden oder zur zweiten profitierenden Gruppe gehört, entscheidet sich offenbar bei der Zellteilung. Salmonellen vermehren sich rasch durch Zellteilung und bilden genetisch identische Abkömmlinge. Bei der Zellteilung werden Zellbestandteile zufällig auf die beiden Tochterzellen verteilt, so die Forscher. Dieser Zufallsprozess führt dazu, dass nicht alle Abkömmlinge dieselben Eigenschaften haben. Zwei Gruppen von Zellen entstehen, die – obwohl genetisch identisch – durch Arbeitsteilung unterschiedliche Eigenschaften und Verhaltensweisen erlangen können. Eine Gruppe dringt ins Gewebe und stirbt, und die andere bleibt im Darm und profitiert.
Gerade weil sie genetisch identisch sind, funktioniert dieses biologische Konzept so gut: Wären sie genetisch unterschiedlich, würde sich der aufopfernde Typ rasch selbst ausrotten. Wie gross der Anteil an Zellen ist, die sich dann selbst opfern, ist wahrscheinlich ein genetisch kodiertes Merkmal.
Grundlegende Erkenntnisse
Die Studie bietet nach Angaben der Wissenschaftler eine neue Erklärung für die Bedeutung von Zufallsprozessen in der Biologie. Zudem ermöglicht die Studie bisher unbekannte Einblicke in die Biologie von Salmonellen. Ähnliche biologische Konzepte sind wahrscheinlich auch bei anderen Krankheitserregern wie Clostridien und Streptokokken von Bedeutung. Um solche Krankheitserreger wirksam bekämpfen zu können, sei eine umfassende Kenntnis ihrer Biologie notwendig, sagt Ackermann.
(ETH Zürich, 22.08.2008 – DLO)