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Geowissen

Polarstern auf dem Weg durch die Nordwestpassage

Forschungsschiff soll Messungen in der Ostsibirischen See durchführen

Arktische Landschaft © Hannes Grobe / Alfred-Wegener-Institut

Die Polarstern war schon unzählige Male in Arktis und Antarktis unterwegs. Jetzt aber fährt das deutsche Forschungsschiff erstmals durch die Nordwestpassage. Bereits am 12. August 2008 hat es den Hafen von Reykjavik verlassen, dann Grönland südlich umschifft und befindet sich derzeit am Beginn der Nordwestpassage. Ziel ist die Ostsibirische See, wo geowissenschaftliche Messungen an der Schnittstelle zwischen dem Mendelejew-Rücken und dem ostsibirischen Schelf im Mittelpunkt der Expedition stehen.

Die im Rahmen des Internationalen Polarjahres angestrebten Messdaten sollen helfen zu verstehen, wie die untermeerischen Gebirgszüge und Becken des Arktischen Ozeans gebildet wurden. Die Forschungsreise führt die Wissenschaftler in 68 Tagen rund um den Nordpol, denn die Rückfahrt soll über die Nordostpassage stattfinden.

Auf den Spuren Alfred Wegeners, der die Theorie der Kontinentalverschiebung 1915 begründete, möchten die Wissenschaftler dabei die tektonischen Zusammenhänge am Grund des Nordpolarmeeres klären. Sie bedienen sich dazu seismischer Messmethoden, die einen Blick in die Schichtabfolgen von Gesteinen und Sedimenten im Meeresboden ermöglichen.

Gebirge so hoch wie die Alpen

„Am Meeresboden finden wir Gebirge, die ähnlich hoch sind wie die Alpen“, sagt Fahrtleiter Wilfried Jokat vom Alfred-Wegener-Institut für Polar- und Meeresforschung. „Diese sind teilweise von Sedimenten überlagert, so dass wir unter die Oberfläche schauen müssen, um Hinweise auf die geologische Entstehungsgeschichte des Mendelejew-Rückens zu finden“, so der Geophysiker weiter.

Wo der Mendelejew-Rücken auf den Ostsibirischen Schelf trifft, treten mitunter sehr alte Schichten an die Oberfläche des Meeresgrundes. Finden die Wissenschaftler mit Hilfe der Messtechnik an Bord von Polarstern solche Stellen, so wollen sie versuchen mit einem Schwerelot Kerne zu ziehen, denn hier treten 50 Millionen Jahre alte Gesteine an die Oberfläche.

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Normalerweise können mit dem Schwerelot, mit dessen Hilfe man Kerne der oberen zehn bis 15 Meter ziehen kann, nur Schichten bis zu einem Alter von einer Million Jahre beprobt werden. Sowohl die Sedimentkerne als auch die seismischen Profile sollen dazu genutzt werden, einen Vorschlag für eine zukünftige arktische Tiefenbohrung weiter zu stützen.

Bohrkern soll 100 Millionen Jahre Arktis-Geschichte offenbaren

Im Rahmen des internationalen Tiefbohrprogramms IODP (Integrated Ocean Drilling Program) soll in den nächsten Jahren ein langer Bohrkern gewonnen werden, der von Forschern aus aller Welt mit Spannung erwartet wird, denn er wird weitere Einblicke in die erdgeschichtlichen Zusammenhänge der Arktis in den letzten 100 Millionen Jahre offenbaren.

Arktische Eisschollen © Alfred-Wegener-Institut

Weiterhin gibt es in der Ostsibirischen See Gebiete mit hohen Sedimentationsraten. Wenn es gelingt, hier Sedimentbohrkerne zu ziehen, lassen diese Rückschlüsse auf die Klimageschichte in der jüngeren geologischen Vergangenheit zu. So gibt der Gehalt an organischem Kohlenstoff in Sedimentkernen Hinweise auf die biologische Aktivität und Forscher können die Temperatur und die Eisbedeckung bis zu eine Million Jahre vor unserer Zeit rekonstruieren.

Auch in der Gegenwart gelangt organischer Kohlenstoff über Flüsse in den arktischen Ozean, weshalb sich die Ozeanografen für die Ostsibirische See interessieren. Ähnlich wie bei den vorhergehenden Fahrtabschnitten nehmen sie Wasserproben und messen Temperatur, Salzgehalt und Tiefe. Zusätzlich bestimmen sie den Gehalt an terrestrischem Kohlenstoff im Wasser, über den sie berechnen können, aus welchen Flüssen das untersuchte Wasser stammt und wie lange es unterwegs ist. Diese Daten sollen helfen, die auch klimawirksamen Strömungssysteme im Nordpolarmeer besser zu verstehen.

Biologen ermitteln Artenzusammensetzung

Veränderungen in den Meeresströmungen wirken sich ebenfalls auf die belebte Umwelt aus. Daher ermitteln Biologen die Artenzusammensetzung in Proben verschiedener Gebiete und Tiefen und vergleichen diese mit Messungen aus den 1990er Jahren. So können sie ableiten, ob sich beispielsweise eine veränderte Eisbedeckung auf die biologische Produktivität des Systems auswirkt.

Detaillierter soll die Ruderfußkrebsart Oithona similis untersucht werden, die sowohl im Arktischen als auch im Antarktischen Ozean und in der Nordsee auftritt. Wie sie sich in diesen unterschiedlichen Klimazonen erfolgreich fortpflanzen kann, wollen die Forscher in Experimenten an Bord ermitteln.

Nach der Rückfahrt von Polarstern durch die Nordostpassage wird das Forschungsschiff voraussichtlich am 19. Oktober wieder in Bremerhaven eintreffen.

(idw – Alfred-Wegener-Institut für Polar- und Meeresforschung, 20.08.2008 – DLO)

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