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Biologie

„Mischwesen“ viel häufiger als gedacht

Liger und Maulesel im Tierreich kein Einzelfall

Liger © JohnBurkitt / gemeinfrei

Wenn aus einer Verbindung zwischen Löwe und Tiger ein Liger entsteht, ist das auf den ersten Blick mehr als ungewöhnlich. Solche „Mischwesen“ aus verschiedenen wild lebenden Arten sind laut einer neuen Studie aber offenbar viel häufiger als bisher angenommen. Grund: Durch das Mixen des Erbgutes können sich nach Ansicht Frankfurter Forscher Genotypen ausbilden, die besser an die Umweltbedingungen angepasst sind als die beiden Elternarten.

Maultier oder Maulesel sind das Ergebnis einer Kreuzung zwischen Esel und Pferd. Auch andere Säugetierarten können sich insbesondere in Gefangenschaft erfolgreich kreuzen, beispielsweise Tiger und Löwe oder Pferd und Zebra. Da diese so genannten „zwischenartlichen Hybride“ jedoch in der Regel steril sind, maßen Biologen der Hybridisierung in freier Wildbahn lange Zeit wenig Bedeutung zu.

Erst seit den 1990er Jahren stellte sich heraus, dass dieses Phänomen im Tierreich gar nicht so selten ist und Hybride sogar vielfach fortpflanzungsfähig sind. Bisher vermuteten Zoologen, dass Hybridisierung vor allem bei „niederen Tieren“ und evolutionär jungen Arten auftritt.

21.972 Publikationen über hybridisierende Tierarten

Biologen um Klaus Schwenk von der Universität Frankfurt am Main haben nun jedoch nachgewiesen, dass in allen Tiergruppen hybridisierende Arten vorkommen. Die neue Studie beruht auf einer umfangreichen Recherche in einer biologischen Literaturdatenbank, bei der alle Veröffentlichungen zu diesem Thema für den Zeitraum von 1947 bis 2007 zusammengestellt wurden.

Die Forscher fanden insgesamt 21.972 Publikationen über hybridisierende Tierarten, allerdings sind nicht alle Tiergruppen gleich gut untersucht. So gibt es beispielsweise viel mehr wissenschaftliche Literatur über Säugetiere als über Spinnen, auch wenn die Zahl der beschriebenen Spinnenarten diejenige der Säugetiere weit übertrifft.

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Um verschiedene Tiergruppen untereinander vergleichen zu können, haben Schwenk und seine Mitarbeiter dieses systematische Datenungleichgewicht mathematisch korrigiert. Sie kamen zu dem Ergebnis, dass in allen Tiergruppen mit einem bestimmten Anteil von hybridisierenden Arten gerechnet werden kann. Hybridisierung ist also, wenngleich nicht sehr häufig, doch über das ganze Tierreich verteilt.

„Mischwesen“ schwierig zu erkennen

In freier Wildbahn sind Hybride nicht leicht aufzuspüren, denn oft sehen sich die Eltern ähnlich – obwohl es sich um verschiedene Arten handelt – und auch der Nachwuchs ist nicht immer eindeutig als Hybrid zu erkennen. Erst durch den massiven Einsatz molekulargenetischer Methoden hat sich gezeigt, dass es deutlich mehr Hybride gibt, als bisher vermutet.

Und welchen Bedeutung hat dieser Prozess in der Natur? „Hybridisierung kann die Evolution der Tiere entscheidend beeinflussen“, erklärt Schwenk, „Durch das Vermischen der Genome kann es zur Ausbildung von Genotypen kommen, die unter Umständen besser an die Umweltbedingungen angepasst sind als die der beiden interagierenden Elternarten“.

Darüber hinaus kann eine genetische Brücke zwischen den Arten entstehen – manifestiert durch Hybride und Kreuzungen zwischen Hybriden und Elternarten – welche den Gen-Fluss zwischen Arten ermöglicht. Das hat man inzwischen bei den unterschiedlichsten Tierarten nachgewiesen, von Insekten über Reptilien bis zu Vögeln und Säugetieren.

Erfolgreiche internationale Zusammenarbeit

Die Ergebnisse der Frankfurter Biologen, sowie die von 15 weiteren Forschergruppen, sind in einem aktuellen Sonderheft der Fachzeitschrift „Philosophical Transaction of the Royal Society (Biological Sciences)“ zusammengefasst.

(idw – Universität Frankfurt am Main, 20.08.2008 – DLO)

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